Herrscher
mich durch die Ruinen von Tarathank gezerrt, um mir seine Lieblingsmauern zu zeigen. Der Gedanke an den verstorbenen Freund erfüllte sie wieder mit Trauer.
»Die Gefahr und die Eile haben mich pflichtvergessen
gemacht«, sagte sie. »Wenn ich überlebe, muss ich die Toten so ehren, wie es ihnen zusteht.«
Die Zeit war nicht auf ihrer Seite. Dar wusste es. Das war das Einzige, was feststand. Fast alles andere war ungewiss und unvorhersehbar. Wann trifft Kols Heer hier ein? Greift er uns sofort an? Ist der Pass bis dahin blockiert? Wenn ja, was wird Kol tun? Können wir uns gegen einen so überlegenen Gegner zur Wehr setzen? Hilft uns das Schneegestöber oder gereicht es uns zum Nachteil? Dar versuchte keine Zeit zu verlieren, indem sie Antworten auf diese Fragen suchte. Es gab zu viel zu tun.
Ihr erster Impuls bestand darin, einzuspringen und zu helfen. Wenn Kols Heer vor der Evakuierung hier eintraf, gab es ein Gemetzel. Doch so gern Dar auch geholfen hätte, sie wusste, dass dies nicht ihre Aufgabe war. Sie war die Königin, sie musste führen. Sie hatte viel zu tun. Sie musste dafür sorgen, dass die Evakuierung rasch vonstattenging; sie musste die Vernichtung der Feste gewährleisten und sich auf die nachfolgenden Kämpfe vorbereiten. Dies bedeutete, dass sie im Zentrum des Sturms zurückblieb und nicht vor ihm flüchtete.
Ihr erster Schritt bestand darin, sich mit den dreißig Söhnen zu treffen, die Nir-yat schickte, um die Feste zu vernichten. Dar sprach zu ihnen, als sie in der Großen Kammer versammelt waren. »Die Wände dieser Feste bestehen aus Stein«, sagte sie, »doch die meisten Decken sind aus Holz. Stapelt alles Brennbare in den größten Räumen auf. Wenn ich den Befehl gebe, schlagen wir alle Fenster ein, damit der Wind hereinkann. Dann zünden wir die Stapel an. Die Flammen müssen sich schnell ausbreiten. Wie kann man einen Brand beschleunigen?«
Ein Sohn verneigte sich. »In der Küche gibt es Kochöl, das beim Anzünden von Scheiterhaufen nützlich ist.«
»Gut«, sagte Dar. »Verwendet auch Lampenöl.«
Ein anderer Sohn verbeugte sich. »Man könnte auch Stoff ins Öl tauchen. Dann brennt er noch schneller.«
»Hai«, sagte Dar. »Macht es so. Doch nehmt keinen weißen Stoff. Wenn man sich in weißen Stoff hüllt wie in einen Umhang, ist man im Schnee nur schwer zu erkennen.« Sie sah an den Mienen der Orks, dass ihnen die Vorstellung sich zu tarnen völlig fremd war. Hoffentlich war dies kein Vorgeschmack auf die Probleme, die noch vor ihnen lagen. »Macht es so und vertraut meiner Klugheit. Gibt es sonst noch etwas, womit wir dazu beitragen können, das Feuer schneller zu verbreiten?«
»Deetpahis bestehen aus eingewachstem Holz«, sagte ein Sohn. »Sie brennen gut.«
»Ein guter Vorschlag«, sagte Dar. »Aber zuvor möchte ich mit der Hüterin des Wissens sprechen.« Sie wandte sich an Zna-yat. »Du kennst diese Feste gut. Entscheide du, welche Räume zuerst in Brand gesteckt werden, und leite die Söhne beim Errichten der Scheiterhaufen an. Ich glaube, dass wir nicht mehr viel Zeit haben.«
Sie schaute die anderen Mintari an. »Ihr helft Zna-yat dabei. Sevren, du kommst mit mir.« Sie wandte sich noch einmal an die versammelten Söhne. »Zna-yat wird euch sagen, was ihr tun sollt.« Sie stand auf, um zur Hüterin des Wissens zu gehen. »Vergiss nicht, Zna: Die Washavoki dürfen nichts finden, das ihnen nützt. Halte mich auf dem Laufenden. Ich bin bald wieder da.« Zna-yat verbeugte sich, und Dar eilte aus der Kammer. Sevren folgte ihr auf dem Fuße.
»Hast du verstanden, was ich gesagt habe?«, fragte sie in der Menschensprache.
»Ich verstehe Orkisch besser, als ich es sprechen kann«, erwiderte Sevren. »Deine Krieger mit weißen Umhängen auszustatten, ist sehr gerissen.«
»Ja, aber die meisten haben den Grund dafür nicht verstanden«, sagte Dar. »Murdant Teeg hat recht: Den Orks mangelt es an Tücke.«
»Ihrer Königin aber nicht.«
»Erzähl mir etwas über Taktik«, sagte Dar beim Gehen. »Was wird Kol zuerst tun?«
»Kommt darauf an, was er will. Will er nur plündern, schlägt er ein Lager auf und wartet auf die Morgendämmerung, um anzugreifen. Wenn er ein Gemetzel will, wird er die Feste gleich umzingeln, damit ihm niemand entwischt.«
»Othar ist sein Herr«, sagte Dar. »Ich bin mir sicher, dass er auf ein Gemetzel aus ist.«
»Dann bring deine Leute schnell hier raus und lass sie ihre Spuren so gut verwischen wie eben möglich.«
»Man muss die
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