Herrscher
fragte Sevren.
»Nur Tote haben keinen Geist«, erwiderte der ältere Bruder.
»In der Kiste sitzt vermutlich der Schwarze Washavoki«, sagte Sevren. »Er stiehlt den Geist. Er zwingt die Washavoki, ja zu sagen, und kann sie sogar töten.«
»Die Schwarzgewandeten gehen rücksichtslos mit sich um«, erwiderte der Ork. »Vielleicht wurde ihr Wille unterworfen. «
Dar erkannte, dass Sevren die Antwort nicht verstand. »Er sagt, dass sie wie besessen wirken«, erklärte sie in der Menschensprache.
»Dann muss Othar in der Sänfte sitzen«, erwiderte Sevren in der gleichen Sprache. »Seine Anwesenheit verändert alles. Zünde die Feste an und fliehe mit den Müttern.«
»Wenn das Heer die brennende Feste sieht, wird es uns sofort jagen.«
»Das tut es ohnehin noch früh genug! Du musst schnellstens von hier verschwinden!«
»Nein, Sevren. Ich werde meine Sicherheit nicht gegen die meiner Untertanen eintauschen.«
Sevren seufzte und verneigte sich. Dar wandte sich den beiden aufgeregten Orks zu und sagte in ihrer Sprache: »Sevren fürchtet um meine Sicherheit. Ich habe gesagt, dass wir in gefährlichen Zeiten leben.« Sie machte das Zeichen des Baumes. »Muth’la wird uns beschützen. Geht nun zu eurer Muthuri. Beschützt sie und die anderen Mütter. Ihr habt mich erfreut.«
Kurz nachdem die Brüder gegangen waren, kehrte Zna-yat zurück, und Dar erzählte ihm, was sie erfahren hatte. Wie Sevren drängte er sie, mit den Müttern zu fliehen. Auch diesmal weigerte Dar sich, darüber nachzudenken.
Dann kam auch Nir-yat zu ihr. »Die Familien sind abmarschbereit, Muth Mauk.«
»Gut«, sagte Dar. »Haben Sie so viel Proviant dabei wie möglich?«
»Hai. Und alle haben ihre Deetpahis erhalten.«
Dar wandte sich an Zna-yat. »Alle noch vorhandenen Nahrungsmittel müssen vernichtet werden. Das ist das Wichtigste überhaupt.«
»Kein Bissen wird für die Washavoki übrig bleiben«, sagte Zna-yat.
»Gut«, sagte Dar. »Die Familien sollen nicht über die Straße gehen, Schwester. Führe sie lieber den Nordhang hinab und über die Pfade zwischen den Terrassen. Versucht, eure Spuren so zu verwischen, wie wir es gemacht haben, als wir aus Taiben flohen.«
Nir-yat verneigte sich. »Möchtest du die Familien vor
dem Abmarsch segnen? Es würde sie innerlich aufrichten. «
»Natürlich.«
»Noch etwas, Schwester. Ich werde diesen Rückzug zwar leiten, falls du es befiehlst, aber …« Nir-yat zögerte, ihr war sichtlich unbehaglich zumute. »Ich glaube, in einem anderen Kurs liegt mehr Klugheit …«
»Und zwar in welchem?«
»Die Matriarchin unserer Sippe …«
»Muth-yat hat sich gegen mich gestellt!«
»Hai, aber dann hat sie vor dir gekniet. Wenn du sie bittest, uns anzuführen, stellt dies ihre Ehre wieder her. Dann stünde sie in deiner Schuld.«
»Ich soll mich also erniedrigen und sie um Hilfe bitten?«
»Es würde dich eigentlich nicht erniedrigen«, erwiderte Nir-yat. »Es heißt doch, dass nur in einem großen Brustkorb Raum für Vergebung ist.«
Dar verzog ironisch das Gesicht. »Man sagt auch, dass klug und gutgläubig nur selten miteinander spazieren gehen. « Sie seufzte. »Gehen wir zu Muth-yat. Ich nehme an, wir sollten Muthuri auch noch einen Besuch abstatten.«
Muth-yat stand mitten in ihrem Hanmuthi neben einem Stapel ihres Besitzes. Sie schaute so verzweifelt drein, dass Dars Grimm verrauchte. »Möge Muth’la dich segnen, Muth-yat, und alle anderen in deinem Hanmuthi.«
»Shashav, Muth Mauk«, sagte Muth-yat. Ihre Stimme klang kalt und gefühllos.
»Wir leben in schwierigen Zeiten«, sagte Dar. »Und es sind harte Worte zwischen uns gefallen. Trotzdem weiß ich, dass du unserer Sippe ergeben bist. So wie ich. Wenn wir gegensätzlicher Meinung waren, dann deswegen.«
Muth-yat nickte.
»Unsere Sippe braucht dich, Matriarchin. Willst du sie in Sicherheit bringen?«
»Ich dachte, Nir-yat soll mich verdrängen.«
»Nir-yat hat mich nach Taiben begleitet und gesehen, was sich durch den Schwarzen Washavoki alles verändert hat. Sie weiß, in welcher Gefahr wir sind. Da ich in dieser Feste bleiben muss, während die anderen fliehen, habe ich sie beauftragt, unsere Sippe in Sicherheit zu bringen. Doch sie wendet sich in ihrer Klugheit nun an dich.«
»Matriarchin«, sagte Nir-yat. »Wenn du unsere Flucht leitest, fühlen sich alle sicherer. Tust du es? Wir brauchen dich.«
Ein Teil der Verzweiflung in Muth-yats Gesicht schien zu schwinden. »Ich werde meine Sippe nicht
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