Herrscher
alleinlassen.«
»Shashav, Muth-yat«, sagte Dar. »Es ist Zeit zu gehen. Kommt mit, ich will den Segen erteilen. Nir-yat wird dich über den Weg informieren, den ich gewählt habe.«
Dann betraten sie Zor-yats Hanmuthi. Dar war nicht auf die nostalgischen Gefühle vorbereitet, die sie überkamen, als sie sich in dem Raum umschaute. Bald wird all dies nur noch eine verrußte Ruine sein. Sie empfand einen Stich der Trauer. Erinnerungen wallten in ihr auf: Die Nacht des Festmahls, in dem sie willkommen geheißen worden war. Die Feier ihrer Wiedergeburt. Ihr freundschaftliches Verhältnis zu ihren Schwestern. Ich habe so viel Schönes hier erlebt.
Zor-yat schien überrascht, Muth-yat an ihrer und Nir-yats Seite zu sehen. Noch überraschter wirkte sie, als Dar sie erst segnete und dann umarmte. »Ich liebe dich, Muthuri«, sagte sie. Dann wechselte sie in die Menschensprache, die Zor-yat fließend beherrschte. »Ich weiß, dass du wie die Washavoki denken kannst, denn du hast mich schon einmal
belogen. Du weißt, was Irreführung ist. Nutze diese Fähigkeit, um Nir-yat zu helfen, unsere Gegner zu verstehen.«
»Du willst meine Hilfe?«, fragte Zor-yat auf Orkisch.
Dar nahm an, dass sie dies nur tat, damit die Anwesenden ihre Antwort verstanden. »Hai«, sagte sie. »Es ist Muth’las Wille.« Sie wechselte wieder in die Menschensprache. »Ich bin deinetwegen Königin. Meine Wiedergeburt und meine erste Reise nach Taiben hast du veranlasst. Der Untergang dieser Feste wurde prophezeit, und du hast dabei eine Rolle gespielt. Hilf unserer Sippe nun zu überleben.«
Zor-yat antwortete ihr erneut auf Orkisch. »Es ist mir eine Ehre, dir und Nir-yat zu helfen. Doch wie?«
Dar antwortete auf Orkisch. »Hilf den Müttern, sich vor den Washavoki zu verbergen. Sevren kennt außerdem Methoden, mit denen man Söldner schlagen kann. Hilf den Söhnen, seine Pläne zu verstehen.«
Zor-yat schaute Dar nachdenklich an, dann verneigte sie sich. »Bitte, vergib mir, Tochter. Ich habe in der Großen Kammer törichte Worte gesprochen.«
»Schmerz und Sorge haben dich dazu getrieben«, erwiderte Dar. »Ich weiß, dass du mich liebst.«
Zor-yat verneigte sich noch einmal. »So ist es, Tochter.«
Dar wusste nicht, ob Zor-yat aufrichtig war. Eine Aussöhnung würde die Sippe jedoch einen, und Einheit konnte beim Überleben helfen. Als Zor-yats Familie ihr Hanmuthi verließ, eilte Dar hinaus, um die nächste Familie zu segnen und zum Abmarsch zu drängen.
Warme Leiber ergossen sich aus der Feste in das Schneegestöber hinaus. Mütter, Kinder und Söhne schritten verschneite Terrassen hinab. Ihre Last war schwer, der Weg war rutschig, steil und schmal. Die Mütter verließen das einzige
Zuhause, das sie kannten, den Ort, an dem sie ihr Leben hatten verbringen wollen. Dies ängstigte sie fast ebenso wie die vor ihnen liegenden Entbehrungen und der brutale Tod, der ihnen drohte. Dar schaute Nir-yat zu, die mit der letzten Ork-Familie abzog. Girta und Kovok-mah begleiteten sie, aber auch Sevren, der Skymere den steilen Pfad hinaufführte. Nir-yat führte die Söhne an, die sich bemühten, den festgetretenen Schnee hinter sich mit Reisigbesen wieder zu glätten. Dar hoffte, dass der fallende Schnee sie bei ihren Bemühungen unterstützte.
Bald verschwanden die Flüchtlinge im Schnee. Dar stand allein da und schaute in die weiße Leere hinaus. Dann rief erneut die Pflicht, und sie eilte in die Feste, um auf General Kols Heer zu warten.
45
ZNA-YAT SCHAUTE in der Großen Kammer so konzentriert zum nächsten Hügelkamm hinauf, dass Dar einen erschreckenden Augenblick lang annahm, er sähe das Signalfeuer. Doch da er sich beim Klang ihrer sich nähernden Schritte nicht umdrehte, konnte es wohl nicht so sein.
»Die Familien sind abmarschiert«, sagte sie.
»Es wäre mir lieber, du wärst mit ihnen gegangen, Schwester. «
Dar wechselte das Thema. »Wie geht die Arbeit voran?«
»Gut. Alle Lebensmittel sind zum Verbrennen aufgestapelt. Und die Deetpahis ebenso.«
»Die Söhne sollen die Fenster einschlagen und die Rahmen auf die Scheiterhaufen werfen«, sagte Dar. »Die Fenster in der Begrüßungskammer haben den besten Ausblick über das Tal. Wir sollten alle dorthin gehen, um nach den Washavoki auszuschauen.«
Zna-yat verneigte sich. »So soll es geschehen, Muth Mauk.«
Dar ging in ihr Hanmuthi, um ihre wärmsten Kleider anzuziehen, dann eilte sie zur Begrüßungskammer. Dies war
ein großer Raum, der an der Seite des Haupteingangs
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