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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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nur ein Hemdkleid aus häuslicher Fertigung getragen, bis es zum Lumpen geworden war; deshalb war die Vorstellung, ein Kleidersortiment aufeinander abzustimmen, Neuland für sie. Ohne Nir-yat hätte sie nur wenige Stoffe ausgesucht. Nun umfasste die Auswahl Dutzende.
    Als sämtliche Entscheidungen feststanden, betrachtete Thorma-yat die vor ihr liegenden Muster. »Welche Kleidung soll ich daraus schneidern?«
    »Ich möchte mir die Muster, was ihre Verwendung angeht, erst noch näher anschauen«, sagte Dar, nachdem sie kurz überlegt hatte. »Wir sprechen morgen darüber.«
    Die Schneiderin sammelte die abgelehnten Muster ein.
    »Du hast mir Freude bereitet, Thorma-yat«, fügte Dar
hinzu. Sobald Thorma-yat sich verbeugt und verabschiedet hatte, wandte sich Dar an ihre Schwester. »Warum missfällt dir rot?«
    Nir-yat verzog das Gesicht. »Nur Söhne tragen diese Farbe. Du bist Muth-Mauk, kein Pashi-Bauer.«
    »Königin Girta hat rote Kleider.«
    »Sie ist ein Washavoki. Das beweist doch, was ich sage.«
    Dar erinnerte sich an die an König Kregants Hof herrschende Farbenpracht. Die verschiedenartigen bunten Stoffe und goldenen Stickereien der dortigen Tracht wichen wesentlich von den für ihre Gewänder bestimmten Geweben ab. Im Vergleich dazu wird meine Kleidung schlicht wirken.
    »Du bist Muthuri aller Urkzimmuthi«, sagte Nir-yat, als läse sie Dars Gedanken. »Du musst eine vornehme Erscheinung abgeben.« Sie nahm ein Stück Tuch, das die Farbe von Weiden im Nebel hatte. »Schau dir dieses Gewebe an. Dreierlei Fäden sind verflochten worden, um diese Farbe herzustellen. Das ist wahrhaft feine Arbeit. Unterscheidungsfähige Augen sind ein Zeichen der Weisheit.«
    »Bei den Washavoki können nur die Reichen und Mächtigen sich kräftige Farben leisten.«
    »Hier darf jede Mutter sich aus Thorma-yats Mustervorrat aussuchen, was ihr beliebt, solange es nicht talmaukifarben ist. Jede kann sich das Neva aus diesem Stoff da oder dem scheußlichen blaugelben Muster schneidern lassen, das dir so gefallen hat.« Nir-yat lächelte. »Du glaubst, ich merke es nicht, aber ich hab’s gemerkt.«
    »Ich mag Schmetterlinge«, bekannte Dar.
    »Dann lass sie auf deiner Schlummerdecke gaukeln, aber keinesfalls auf deinem Neva. Da wir gerade davon reden, die Neva besprechen wir als Nächstes. Wenn Thorma-yat morgen wiederkommt, musst du vorbereitet sein.«

    Die Vorstellung besonderer, eigens für sie geschneiderter Gewänder war Dar bislang fremd gewesen, und Nir-yat schien alles damit Zusammenhängende in einer ungeläufigen Sprache zu erörtern. Dar wusste, dass das einem Rock ähnliche Kleidungsstück Neva hieß und man den Doppelumhang Kefe nannte. Alle weiteren Bezeichnungen jedoch, die Nir-yat verwendete, sagten ihr nichts. Dar empfand das Gespräch als langweilig, aber es besänftigte ihr Gemüt. Das Erfordernis, sich recht bald für Zuschnitt und Saumlänge eines Neva zu entscheiden, hielt dringendere Angelegenheiten von ihrer Seele fern. Außerdem lockerte es Nir-yats Stimmung, da sie an alldem offenbar starken Anteil nahm und zu allem eine Meinung hatte.
    Gemeinsam entwarfen sie Dars königliche Gewandung, bis die Zeit fürs Abendessen kam. Nur zu froh, nicht allein essen zu müssen, schickte Dar Söhne aus, um ihnen das Essen zu holen.
     
    Murdant Kol wusste nicht mehr, wann er zum letzte Mal etwas zu essen gehabt hatte, oder ob es Tag war oder Nacht.
    Ihn schüttelte dermaßen heftiges Fieber, dass Wahngebilde ihn heimsuchten. Sein ganzer Leib schmerzte und glühte, doch am schlimmsten quälte ihn die vereiterte Schulterwunde. Sie fühlte sich an, als würde ihm ein glutheißer Schürhaken ins Fleisch gebohrt. Auch wo er war, wusste er nicht.
    Er glaubte auf Donner zu sitzen, die Reitpeitsche zu schwingen und auf Dar zuzugaloppieren. Immer wieder durchlebte er diesen Augenblick, und jedes Mal glaubte er, es nähme einen anderen Ausgang. An Dars Seite erblickte er die zum Fortlaufen viel zu gebrechliche Ork-Königin. Er sah Sevren allein und in ernster Bedrängnis gegen mehrere Söldner
kämpfen. Alles vollzog sich mit ungewöhnlicher Langsamkeit. Dar wandte sich um, zeigte eine erschreckte Miene.
    Sie griff nach dem Dolch, der an ihrer Hüfte hing.
    Woher hat sie eine Waffe? Sie drehte den Dolch in der Hand und packte die Klinge. Dann warf sie die Waffe. Der Dolch flog gemächlich durch die Luft, und Kol konnte beobachten, wie er sich mehrmals sehr elegant überschlug, bis die Spitze nach vorn zeigte. Doch auch sein

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