Herrscher
Pferd bewegte sich langsam voran. Ich brauche nur auszuweichen, und er verfehlt mich. Aber die Waffe traf ihn. Kol war ebenso entsetzt und wutentbrannt wie beim ersten Mal.
Alle späteren Ereignisse stellten sich im fiebergeplagten Hirn des Murdanten als schemenhafter Wirrwarr dar. Irgendwelche Vorgänge, die mit den Orks zu tun hatten. Er hatte den verschwommenen Eindruck einer Flucht und zunehmender Schmerzen.
Dann saß Kol abermals auf Donner und sprengte auf Dar zu.
Auf dem anderen Bett der Kammer hockten zwei Männer, die ihrer Umgebung an Verkommenheit in nichts nachstanden.
Sie beobachteten Kol und warteten auf sein Ableben.
»Nun kann’s nicht mehr lange dauern«, meinte der eine Mann. »Er ist völlig wirr im Kopf.«
»Der Geruch verrät mehr über seinen Zustand«, sagte der zweite Mann. »Er stinkt nach fauligem Fleisch.«
»Vielleicht sollten wir ein wenig nachhelfen.«
Sein Spießgeselle senkte den Blick auf den dreckigen Holzboden.
»Und uns einhandeln, was der andere Bursche abgekriegt hat? Er ist ein harter Knochen, ob todgeweiht oder nicht. Lass uns lieber geduldig sein.«
»Hoffen wir, das Warten lohnt sich.«
»Immerhin hat er das Pferd verkauft.«
Der erste Mann lachte. »Einem Schwindler.«
»Freilich ist der Wirt ein Raffzahn, aber unser Haudegen da war ja schon halb tot, als er eintraf.«
»Was glaubst du, woher er kommt?«
»Höchstwahrscheinlich aus Taiben. Dort soll ja alles drunter und drüber gehen.«
Kol wälzte sich auf dem mit Schweiß getränkten Lager, da öffnete jemand die Tür.
Herein kam der Herbergswirt, ein Mann mit rattenhaftem Gesicht. »Raus mit euch«, sagte er. »Die Kammer ist vermietet.«
»Ja, und zwar an uns«, erwiderte einer der beiden Gäste, die auf Kols Tod warteten.
»Ich habe sie neu vermietet. Ihr könnt in den Stall umziehen oder mehr bieten als dieser Mann.«
Missfällig beäugten die Männer den grauäugigen Fremdling, der inzwischen an der Seite des Gastwirts stand.
Trotz seines jugendlichen Gesichts hatte er eine einschüchternde Ausstrahlung. Zudem erkannte man an seiner Kleidung, dass er wohlhabend war. Darum folgten die Männer, statt zu zanken, dem Wirt aus dem Zimmer. Im Flur sahen sie eine Heilkundige stehen, die einen Beutel voller Heilkräuter dabeihatte. An diese Frau wandte sich der neue Mieter des Zimmers. »Komm herein. Das ist der Mann.« Die Heilerin betrat die Kammer, und die Tür wurde geschlossen.
»Wer ist der Kerl?«, schnauzte der eine Mann den Wirt an.
»Keine Ahnung. Ist mir auch einerlei.«
»Also, wir hatten selbst unsere Absichten mit dem Abgänger da drin. Und du hast uns alles vermasselt.«
Sein größerer Kumpan drängte den Wirt an die Wand. »Jawohl, vermasselt. Deshalb wollen wir unser Geld zurück. «
Der Herbergswirt rang sich ein memmenhaftes Lächeln ab. »Wollt ihr dafür nicht lieber im Stall übernachten und freies Trinken haben?«
Die beiden Männer grinsten sich an. »Damit sind wir einverstanden«, antwortete der eine.
»Anscheinend wendet sich alles zum Guten«, äußerte sein Kamerad. Er schaute hinüber zu der geschlossenen Tür. »Und nicht bloß für uns.«
11
GLEICH AM folgenden Morgen setzte Nir-yat das Gespräch über Dars Aussteuer fort und knüpfte da an, wo sie am Vorabend aufgehört hatte. Mittlerweile hatte Dar gelernt, dass es weit mehr Bekleidung als nur Nevas, Kefe und Mäntel gab. Alle trugen verschiedene Bezeichnungen, und sogar die Bestandteile hatten eigene Namen. An einige erinnerte Dar sich noch.
Sie betrachtete die sorgfältig angeordneten Stapel von Stoffen, die auf dem Hanmuthi-Fußboden verteilt lagen; jeder war für ein besonderes Kleidungsstück bestimmt. »Nir, das geht nicht gut. Mir fällt nicht mehr ein, was wozu dient.«
»Eigentlich ist es ganz einfach. Die Gabaiuks sind für deine Sukefas. Sie haben zwei Seiten, sodass sie mit Tuug vernäht werden, die …«
»Genug davon, Nir. Du musst Thorma-yat erklären, was sie schneidern soll.«
»Aber …«
»Es ist ein Geheimnis der Weisheit, Klugheit auch bei anderen zu erkennen. Ich kann unmöglich alles selbst tun. Soll
ich etwa eigenhändig Brak und Pashi anbauen? Würde ich meine Festmahlzeiten selbst kochen, wolltest du davon essen ?«
Nir-yat grinste, weil sie sich wohl an Dars mangelhafte Kochkünste entsann. »Thwa.«
»Darum stütze ich mich, was Gewänder betrifft, auf deine Klugheit.«
»Aber irgendetwas musst du Thorma-yat sagen.«
»Dann erkläre mir, was ich sagen soll. Es muss aber
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