Herrscher
Es wird ohnehin bald jeder wissen.« Zor-yat grinste breit. »Kath-mah wird außer sich sein.«
»Vielleicht glaubt Muth Mauk, dass Kovok-mahs Muthuri ihre ablehnende Haltung aufgibt.«
»Da kennt sie Kath-mah aber schlecht. Das ist eine vorteilhafte Neuigkeit, Schwester.«
»Es kommt so, wie ich es erhofft habe«, sagte Muth-yat. »Muth Mauks Torheit wird ihrer Herrschaft ein baldiges Ende bereiten. Das bedeutet die Rettung für unseren Familiensitz. «
»Kovok-mah wird also im Hanmuthi der Königin wohnen. Dadurch gerät Dargu in jedem Augenblick in Versuchung. «
»Sie hat schon einmal ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um bei ihm zu sein«, meinte Muth-yat.
»Da musste sie allerdings nach Taiben reisen«, sagte Zor-yat. Sie lächelte. »Diesmal braucht sie nur ihr Hanmuthi zu durchqueren.«
»Das geschieht nie, solange Nir-yat zugegen ist. Zor, du
musst Nir-yat verzeihen und ihr mitteilen, dass sie in deinem Hanmuthi wieder willkommen ist.«
Zor-yat schnitt eine böse Miene. »Sie hat Dargu mir vorgezogen. «
»Einerlei. Schließe Frieden mit Nir-yat. Und im Namen des Familiensitzes schließe auch Frieden mit Muth Mauk. Wenn sie sich sicher fühlt, wird sie weniger argwöhnisch sein.«
Sevren schritt durch Taibens dämmerige Straßen.
Gegen Abend sah man sie meist verlassen, weil nach wie vor Diebe und Räuber ihr Unwesen trieben. Er hielt die Augen offen, da er inzwischen wusste, dass die Straßenräuber sich nicht mal scheuten, Gardisten des Herrscherhauses zu überfallen. Im Kampf unerfahrene Schurken sollten es sein, hieß es, aber man sagte ihnen auch Furchtlosigkeit und Zähigkeit nach.
Aber er erreichte das Haus des Sandeishändlers ohne Zwischenfall und klopfte an die Tür. Ein Guckloch wurde geöffnet. Gleich darauf schloss der grauhaarige Händler die Tür auf und bat Sevren herein.
Das bescheidene Haus diente gleichzeitig als Wohnung und Werkstatt. Überall war die Ware des Händlers ausgestellt. Sandeisgefäße orkischer Herkunft schimmerten im Feuerschein. Für Sevren glichen sie durch Zauberei verwandelten Eisklumpen. Jedes Mal empfand er ihren Anblick als geradezu märchenhaft.
»Tava, Sevren«, sagte der Händler. Sei gegrüßt, Sevren. »Sutak fu ala keem suth?« Bist du wieder zum Lernen gekommen?
»Hai, Thamus, tep pahav pi daku urksaam.« Ja, Thamus, und um über andere Sachen zu sprechen.
»Atham?« Über was?
»Ma kramav …« Ich fürchte … Sevren stockte. »Lass uns heute in unserer Sprache reden.«
»Auf diese Weise wirst du nie Orkisch lernen.«
»Ich weiß, aber es gibt etwas, das mir Sorgen macht, und ich will mich darüber nicht bloß in Wortfetzen unterhalten. «
»Ich bin nur Sandeishändler, höhere Dinge sind nicht mein Fach.«
»Aber du kennst dich mit den Urkzimmuthi aus«, sagte Sevren. »Nicht nur beherrschst du ihre Sprache, du bist sogar an ihren Familiensitzen ein gern gesehener Mann.«
»Ja, diese Ehre erweisen sie mir, aber davon wird man nicht gescheiter.«
»Ich glaube, du weißt über sie mehr als jeder andere in Taiben.«
Thamus lachte. »Das besagt wenig.«
»Es geht mir um Königin Girtas Urkzimmuthi-Leibwache. Würde sie je gegen sie revoltieren?«
»Hat die Urkzimmuthi-Königin sie nicht zur Treue verpflichtet ?«
»Doch, aber da war sie fast tot.«
»Das ist unerheblich. Die Söhne bleiben ihrem Eid treu.«
»Und wenn sie zur Revolte gedrängt werden?«
»Verrat widerspricht ihrer Natur. So wie jede Unredlichkeit. An ihren Familiensitzen braucht man keine Schlösser an den Truhen. Hier hingegen …«
»Ihre Ehrlichkeit zweifle ich nicht an«, stellte Sevren klar. »Was mich sorgt, ist das Ausmaß ihrer Leidensfähigkeit. Sie werden schlecht behandelt. Man beschimpft sie als Pissaugen und Girtas Kobolde.«
»Selbst wenn sie die Beleidigungen verstehen, beeinflussen
sie ihre Zuverlässigkeit nicht. Ihre Treue gilt nicht unserer Königin, sondern der ihren. Dennoch entnehme ich deinen Worten, dass es nicht gut läuft bei Hofe.«
»Mein Eindruck ist, dass Königin Girta sich vor ihrer Leibwache fürchtet. Ich weiß, dass sie sie vernachlässigt. Ursprünglich sollten sie angemessen untergebracht werden, damit ihre Frauen sich zu ihnen gesellen können. Doch bisher ist nichts dergleichen geschehen.«
»Wie kurzsichtig. Hat niemand die Königin über die Versäumnisse aufgeklärt?«
»Ich hab’s versucht, sie beklagt jedoch die Kosten. Höflingsgeschwätz lenkt sie von ihren wahren Interessen ab. Ich habe Bedenken, dass alle
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