Herrscher
eilte er über den Palasthof zurück. Obwohl er an Kälte gewöhnt war, nahm er sich vor, die Washavoki-Königin um eine andere Badeeinrichtung zu bitten. Hoffentlich ließ das Gespräch mit ihr nicht mehr so lange auf sich warten.
Dar fürchtete sich zwar vor der Begegnung mit Muth-tok, doch sie wusste auch, dass jeder Aufschub die Angelegenheit nur verschlimmerte. Also nahm sie ein Bad und zog ihre schönsten Gewänder an. Danach sandte sie Lama-tok aus, damit er seiner Matriarchin berichtete, dass Muth Mauk sie empfangen wolle. Später nahm Dar auf dem Thron Platz und rechnete mit einer weiteren langen Wartezeit. Muth-tok überraschte sie, denn sie kreuzte sofort auf.
Die Matriarchin der Stein-Sippe war älter als Muth-mah, aber ebenso raubeinig. Sie war groß und muskulös und wirkte, als sei sie an Schwerarbeit gewöhnt. Dar wusste, dass zahlreiche Tok-Sippenmütter Steine bearbeiteten, deswegen nahm sie an, dass dies auch für die Matriarchin galt.
»Möge Muth’la dich segnen, Muth-tok.«
Muth-tok verbeugte sich tief. »Shashav, Muth Mauk.«
»Ein Sohn, den du mir geschickt hast, gehört schon zu meinen Mintari.«
»Ich bin erfreut, aber nicht überrascht, dass du Lama-tok für würdig hältst. Ich hoffe, du erkennst, dass auch Kak-tok diese Ehre verdient.«
»Er hat einen guten Eindruck gemacht.«
»Wie auch du«, sagte Muth-tok. »Lama-tok hat lange Zeit nicht über eure Reise geredet. Erst kürzlich habe ich die ganze Geschichte erfahren. Ich bin sehr erstaunt. Muth’las
Wille ist nur selten so eindeutig offenbart worden.« Sie drückte die Hand auf ihre Brust und machte das Baum-Zeichen. »Wir leben in wundersamen Zeiten.«
»Ich glaube, einige Matriarchinnen würden es anders sehen«, sagte Dar.
»Wundersame Zeiten sind keine leichten Zeiten. Ich glaube, dass uns harte Zeiten bevorstehen. Warum sonst sollte Muth’la dich zu unserer Königin machen?«
»Manche meinen, man könnte die harten Zeiten vielleicht umgehen, wenn ich nicht Königin bleibe.«
Muth-toks Gesicht verfinsterte sich. »Bären verschwinden nicht, wenn man die Augen schließt. Sie beißen einen trotzdem.«
Dar lächelte. »Ich glaube, ich habe im Rat eine Freundin gefunden.«
Muth-tok erwiderte ihr Lächeln. »Nach der Ratsversammlung findet ein Festessen statt. Ich hoffe, dabei wirst du mich mit Erzählungen über eure Reisen ehren. Es ist Brauch, dass ich mich während der Begrüßung kurz fasse; sonst würde ich darum bitten, den heutigen Tag mit dir zu verbringen. Lama sagt, ihr wart in Tarathank, habt die Pah-Sippe besucht und viele andere Abenteuer erlebt. Besonders deine Visionen interessieren mich.« Sie musterte Dar bedeutungsvoll. »Lama hat auch Velasa-pah erwähnt.«
»Ich denke oft an diese Begegnung«, sagte Dar, die nicht zu viel enthüllen wollte.
»Ich darf nicht über Gebühr hier verweilen, Muth Mauk. Ich möchte nicht, dass Muth-yat und Muth-mah jetzt schon erfahren, wie ich denke.«
»Du hast mich erfreut, Muth-tok.«
Die Tok-Matriarchin dankte Dar, verbeugte sich und ging.
Kol machte einen kurzen Besuch im Hause Baltens, um sich mit finanziellen Mitteln zu versorgen, dann ging er in den Laden eines Schneiders und bestellte Kleider, die seinem neuen Rang entsprachen.
Den hellen Farben, die Voltar und die anderen Generale trugen, ging er zugunsten eines strengeren Aussehens aus dem Weg. Er bestellte langärmelige Wamse aus feinem schwarzem Wollstoff, die mit gerade so viel Gold gesäumt waren, dass sie seine neue Position hervorhoben, ohne prahlerisch zu wirken. Die Hosen, die er in Auftrag gab, waren ebenfalls schwarz und mit einer dünnen goldenen Paspelierung versehen. Seine alten Stiefel und sein Schwert behielt er.
Kol sah seine Situation in militärischen Begriffen: Er war gerade auf günstiges Gelände vorgerückt, in dem aber auch er angreifbarer geworden war. Nun galt es, voreilige Schritte zu vermeiden. Er wollte seine Position stabilisieren und erst einmal den Widerstand prüfen. Im Moment musste er unscheinbar wirken und sich als Ausbund an Bescheidenheit darstellen.
Währenddessen wollte er andere Kräfte einsetzen, um seine Pläne voranzutreiben. Er hatte schon eine Liste aller Gegner bei Hofe erstellt und rechnete damit, dass seine Beförderung noch weitere enthüllen würde. Gorm kann dafür sorgen, dass sie beseitigt werden. Othars Fähigkeit, den menschlichen Geist zu steuern, machte dies einfach.
Kol stellte sich eine Mordserie vor. Geistesgestörte Lakaien …
Weitere Kostenlose Bücher