Herrscher
prüft uns«, erwiderte Dar. »Entziehen wir uns ihren Prüfungen, tun wir es auf eigene Gefahr.«
»Ich habe die Absicht, mich der Gefahr zu stellen«, sagte Muth-yat. »Und sie zu beseitigen.«
»Bezweifelst du, dass ich mich zum Herrschen eigne?«
Muth-yat lächelte. »Ich bin nur eine von sieben.«
Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus. Dann ergriff Dar erneut das Wort. »Hast du Zeta-yat je verziehen, dass sie Königin geworden ist?« Muth-yat erbleichte, und
Dar lächelte. »Ich habe das Fathma, also habe ich auch die Erinnerungen deiner Schwester. Du warst außer dir, als man sie für würdig hielt, etwas zu werden, das man dir verwehrte. Sie hat dich unterstützt, damit du Matriarchin deiner Sippe werden konntest, denn sie hat gehofft, deine Liebe so zurückzugewinnen. Aber sie hat nie erfahren, ob es ihr gelungen ist.«
Muth-yat schaute weg.
»Du kannst dich ruhig dazu äußern«, sagte Dar. Dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte, machte sie zufrieden. »Die nächste Königin hat auch meine Erinnerungen, und Schweigen ist eine beredte Antwort.«
»Zetas Geist hat nichts in dir verloren!«, sagte Muth-yat.
»Glaubst du, dir wäre mit ihren Erinnerungen behaglich zumute?«, konterte Dar. »Oder mit meinen? Die Krone ist eine Last. Ich weiß es nur zu gut. Du solltest genau wissen, worauf du erpicht bist.«
»Du bist schrecklich unhöflich!«, sagte Muth-yat.
»In einer Familie zankt man sich gelegentlich, Tante«, sagte Dar. »Und doch habe ich Hoffnung, dass sich noch alles zum Guten wendet. Ich wurde auf diesem Familiensitz wiedergeboren. Ich liebe ihn über alles. Man sollte der Liebe vertrauen, nicht der Furcht.«
Muth-yat weigerte sich, Dars Blick zu erwidern. »Ich kann nur das tun«, sagte sie, »von dem ich glaube, dass es das Beste ist.«
27
AM MORGEN der Zusammenkunft des Rates der Matriarchinnen nahm Dar ein Bad, denn sie hoffte, den Geruch der Furcht von sich abwaschen zu können. Nir-yat flocht ihr Haar und bemalte ihre Nägel mit Talmauki. Als Dars Vorbereitungen beendet waren, ging sie in die Große Kammer, nahm Platz und schickte Zna-yat los, um die Matriarchinnen zu informieren, dass Muth Mauk an sie dachte.
Dar bereitete sich darauf vor, sich den Matriarchinnen zu stellen und sie von ihrer Standhaftigkeit zu überzeugen. Kampflos wollte sie nicht aufgeben. Trotzdem war ihr zumute wie an dem Morgen, an dem die Soldaten aus dem Stall hervorgestürzt waren, um sie anzugreifen. Auch damals war sie vorbereitet gewesen – wenn auch nur mit einem Schöpflöffel bewaffnet. Dieses Mal kann Kovok-mah mich nicht retten. Jetzt kann ich mich nur auf meinen Grips verlassen.
Die Matriarchinnen trafen ein, und Dar segnete jede Einzelne namentlich. Da die Wissenshüterin sie eingewiesen hatte, wusste sie auch, was sie anschließend sagen musste. »Heute ehren wir mit der ersten Zusammenkunft der Großen
Mutter und der Sippenmütter die Tradition. Es ist unsere Pflicht, Muth’las Kinder zu beschützen und ihnen den Weg zu weisen.«
Muth-yat trat vor. »Heute müssen wir bestätigen, ob das Fathma in Übereinstimmung mit Muth’las Willen verliehen wurde.«
»Hai«, sagte Dar. »Und diese Angelegenheit erledigen wir zuerst.« Sie warf einen kurzen Blick auf die Gesichter der Anwesenden und erkannte sofort, wie jede einzelne Matriarchin gelaunt war. Sie zählte drei Freunde und vier Gegner. Ich brauche nur eine Anwesende umzustimmen, dachte sie. Dann nahm sie ihr Vorhaben in Angriff.
»Mut’la hat mir zwei Leben geschenkt«, sagte sie. »Ich wurde als Washavoki geboren. Dieses Leben war so hart, wie ihr es euch nicht vorstellen könnt. Und doch kannte ich kein anderes, bis Muth’la mich zu den Urkzimmuthi schickte. Dann hat sie mir Visionen und Prüfungen geschickt. Ich gelangte zu der Ansicht, dass die Urkzimmuthi nicht für die Washavoki kämpfen sollen. Ich beschloss, die Söhne nach Hause zu bringen. Muth’la hat mich auf meinem Weg nach Osten geführt. Ich bin Velasa-pah begegnet. Ich habe in Tarathank gewohnt. Ich habe die verschollene Sippe gefunden. Ich habe die Söhne an den Herd ihrer Muthuris zurückgebracht.
Als ich hier angekommen war, kam Muth-yat zu mir und sprach von ihrer Vision. Sie sagte, ich sei ihr erschienen, um sie zu fragen, warum ich noch nicht geboren sei. Dann erzählte sie mir vom Wiedergeburtszauber. Obwohl dieser Zauber schwer erträglich und gefährlich war, habe ich meinem alten Leben freudig entsagt. Mein Geist wurde umgewandelt, und Zor-yat
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