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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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wollte es ihm aber nicht zeigen. »Was ist das? Und wonach greift er?«
    »Nach dem menschlichen Geist. Es macht Menschen zu Dieben. Und zu Schlimmerem.«
    »Ist der Greifer ein Mensch oder ein Tier?«

    »Dem Geräusch nach sind es zwei Männer, die einen dritten tragen.«
    »Und warum haben sie dich noch nicht gegriffen?«, fragte Seven in einem scherzhaften Tonfall.
    »Du kommst jede Nacht dreimal hier vorbei. Haste mich schon mal gesehen? Nee, ich bin’s nicht wert, dass man mich packt. Aber genau da, wo du stehst, hat’s vor sechs Nächten ’n Wachmann erwischt. Und davor ’ne Frau.«
    »Und wie?«
    »Zauberei, nehm ich an. ’ne Stimme sagt was, und die Menschen verwandeln sich. Ihr Schritt verliert den Funken. Irgendwas fehlt ihm dann. Ich würd sagen, ’s ist ihr Geist.«
    Sevrens Tonfall wurde nun weniger doppeldeutig. »Woran erkennst du, dass sie stehlen?«
    »Die, die in der Nacht umgehen, haben alle den gleichen Schritt. Sie gehen auch bei Tag um, aber meist bei Nacht. Ich hab gehört, was sie so machen. Rauben. Töten. Die Leute packen. Es sind Männer. Und Frauen. Junge. Alte. Aber sie gehen alle ohne diesen Funken.«
    »Es klingt nach Zauberei.«
    »Was versteht ein Bettler schon davon? Aber ich hab den Greifer kurz vor dir hier vorbeigehen hören. Sei also auf der Hut, Wachmann, oder er schnappt sich auch dich.«
    »Danke für die Warnung«, sagte Sevren. »Ich werde meinen Blick schärfen und meine Ohren spitzen.« Er steckte das Schwert wieder ein und setzte seine Runde fort.
    Sein erster Gedanke war, die Behauptungen des Bettlers als Täuschungen einzustufen. Zauberer waren mächtig; sie dienten Königen und Edelleuten als Ratgeber. Kein Zauberer hatte es nötig, im Dunkeln umherzupirschen, um für Diebe und Räuber den Zuhälter zu spielen. Doch die Ernsthaftigkeit des Bettlers war dergestalt, dass man seine Warnung
nur schwerlich ignorieren konnte, und so lief Sevren nur ein kleines Stück weiter, bis er das Licht seiner Laterne löschte.
    Als er im Finsteren weiterging, bewegte er sich mit leisen Schritten und gespitzten Ohren. Ein Stück die Straße hinauf vernahm er ein Geräusch. Er erstarrte und lauschte. Er glaubte, die Schritte zweier Männer zu hören; die schlurfenden Geräusche, die sie machten, schienen anzudeuten, dass sie eine Last schleppten.
    Sevren schaute die dunkle Straße hinunter.
    Zwischen den noch dunkleren Häusern kam sie ihm vor wie ein dunkelgraues Band. Hätte der frisch gefallene Schnee den gefrorenen Matsch nicht erhellt, hätte er den sich bewegenden Umriss vielleicht gar nicht gesehen.
    Sevren strengte sich an, um zu erkennen, was das war, und gewann den Eindruck, dass es sich um zwei Männer handelte, die jemanden trugen, der in einer Sänfte saß. Es lief Sevren so kalt über den Rücken wie beim Betreten des Turms des Zauberers, und dieses Empfinden verdrängte alle vernünftigen Argumente. Er drehte sich um und rannte ohne das geringste Zögern los. Er hielt erst an, als er die andere Seite der Stadt erreicht hatte …

29

    DIE UNRUHE hatte Dar schlecht schlafen lassen, deswegen war sie müde und angespannt, als sie sich auf die Ratsversammlung vorbereitete. Die Sitzung konnte erst beginnen, wenn Muth’las Trunk fertig war, doch dies war erst zur Mittagsstunde der Fall. Sobald ihr gemeldet wurde, dass das Gift fertig sei, ging sie in die Große Kammer und ließ die Matriarchinnen benachrichtigen.
    Die eintreffende Prozession unterschied sich sehr von der des vergangenen Tages. Zuerst kam Muth-goth. Sie wurde von zwei Söhnen auf einer Bahre getragen. Sie atmete keuchend und gurgelnd und wurde von Deen-yat begleitet, die auch dann an ihrer Seite blieb, als die Söhne hinausgegangen waren. Muth-pah trat als Nächste ein. Sie trug derart altmodische Kleider, dass sie wie eine Figur aus einem uralten Märchen wirkte. Die anderen Matriarchinnen folgten. Muth-pahs Gegenwart schien sie eingeschüchtert zu haben.
    Dar segnete alle Anwesenden, dann sagte sie: »Die Sitte gestattet die Anwesenheit einer Heilerin, wenn sie schwört, über alles Gehörte Stillschweigen zu bewahren. Deen-yat, schwörst du es?«

    »Ich schwöre es.«
    »Gut«, sagte Dar. »Dann beginnen wir von Neuem. Soll ich die Steine bringen lassen?«
    »Das ist unnötig«, sagte Muth-yat, »denn die Steine haben längst gesprochen. Es ist nur noch nötig, Muth’las Trunk zu holen.«
    »Unter uns sind zwei, die ihre Steine noch nicht geworfen haben«, sagte Dar.
    »Jeden Morgen steigt das

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