Herrscher
Goldene Auge auf, und ein neuer Tag beginnt«, erwiderte Muth-yat. »Doch was geschehen ist, bleibt geschehen. Du kannst den Verlauf nicht ändern, nur damit er deinen Vorstellungen entspricht.«
»Was für ein dummes Gerede!«, sagte Muth-tok. »Die Steine sollen neu entscheiden!«
»Wenn wir das zulassen«, erwiderte Muth-yat, »wird die Entscheidung der Steine nie die letzte Entscheidung sein. Ich sage, Muth Mauks Eignung muss geprüft werden, da die Steine es so angeordnet haben. Sie muss jetzt nach Muth’las Trunk verlangen.«
»Wenn sie zum Trinken gezwungen wird, ohne noch einmal die Steine zu befragen«, sagte Muth-jan, »darf sie aber nicht allzu viel trinken. Wir werden dann noch etwas für ihre Nachfolgerin brauchen.«
»Was mich anbetrifft, so werde ich die Eignung der Nachfolgerin infrage stellen«, sagte Muth-tok und fixierte Muth-yat bedrohlich. »Und ich bin nicht allein. Wenn du Königin wirst, wirst du keine Steine werfen. Aber du wirst dich ihrem Urteil unterwerfen.«
Auch Muth-pah schaute Muth-yat an. »Wann haben die Urkzimmuthi eigentlich gelernt, so zu reden wie du? Du verwendest Worte, als wären es Dolche. Doch Worte sind da, um der Vernunft Ausdruck zu verleihen. Als die Steine
geworfen wurden, war diese Versammlung nicht vollzählig. Jetzt aber sind alle da.« Sie verbeugte sich vor Dar. »Verlangst du bitte die Steine, Muth Mauk?«
Dar schaute die Matriarchinnen an. Sie spürte eins: Die Machtverhältnisse hatten sich verändert. »Hai«, sagte sie. »Muth-yat, öffnest du bitte die Tür?«
Muth-yat verbeugte sich und willigte widerstandslos ein. Dar verlangte, dass die Steine gebracht wurden. Als sie kamen, wandte sie sich wieder an den Rat. »Bevor die Steine geworfen werden, möchte ich wissen, warum Muth-pah und Muth-goth zu uns gekommen sind, da ich sie nicht gerufen habe.«
»Die Mutter der Visionen hat mich geschickt«, sagte Muth-pah. »Ich habe diese Reise zwar nur ungern auf mich genommen, aber ich konnte nicht ungehorsam sein.«
»Noch nie ist jemand von deiner Sippe hier gewesen«, sagte Muth-smat. »Ist Muth’la über diese vielen Generationen hinweg für euch verstummt?«
»Thwa, aber uns wurde das Schicksal auferlegt zu warten und zu wachen. Diese Aufgabe ist nun beendet. Muth Mauk kam, wie uns prophezeit wurde, aus dem Westen.«
»Bedeutet dies, dass die Welt sich ändern wird?«, fragte Muth-tok.
»Sehr wahrscheinlich«, erwiderte Muth-pah. »Und auf eine Weise, die wir nicht kennen. Ich weiß nur eins: Muth’la hat uns diese Königin gesandt. Und wer klug ist, weiß das ebenso.«
Muth-goth mühte sich mit Deen-yats Hilfe ab sich aufzusetzen. Die alte Matriarchin sprach mit leiser Stimme und rang dabei mühsam nach Luft. »Auf dem Weg hierher … Ich hatte ebenfalls eine Vision … Sie sagte, beeil dich … sonst stirbt die Hoffnung.«
»Muth’la hat zu diesen beiden Müttern gesprochen«, sagte Muth-hak. »Wir sollten also auf sie hören.«
»Muth Mauk«, sagte Muth-tok, »wir wissen nicht genau, was in diesem Fall klug ist. Sollst du Muth’las Trunk trinken oder nicht? Die Steine werden uns leiten. Möchtest du sprechen, bevor sie entscheiden?«
»Es ist unnötig«, erwiderte Dar.
»Schwarz bedeutet, Muth Mauk wird geprüft«, sagte Muth-tok. »Grün bedeutet, sie wird nicht geprüft.«
Die Steine wurden geworfen, und Dar zählte sie. Zwei waren schwarz; sieben waren grün. Muth-yat trat vor. »Akzeptiert die Versammlung die Entscheidung der Steine?«
»Hai«, sagten alle Matriarchinnen.
»Dann bestätigen wir, dass Dargu-yat geeignet war, das Fathma zu empfangen und unsere Königin zu werden«, sagte Muth-yat. Sie verbeugte sich vor Dar. »Ich gelobe dir meinen Gehorsam, denn Muth’la wünscht es so.«
Alle Matriarchinnen wiederholten das Ritual.
Danach sprach Dar die traditionellen Worte. »Muth’la hat mich gekrönt. Ihr habt mir die Last der Krone erleichtert. Shashav.«
Sie empfand eine solche Befreiung, dass sie beinahe vergessen hätte, den Rat der Matriarchinnen, wie der Brauch es erforderte, zu einem Festmahl einzuladen. Nachdem sie dies getan hatte, entließ sie die Anwesenden, die sich bis auf Muth-goth zerstreuten. Muth-goth winkte Deen-yat und ihre Träger hinaus. Dann bedeutete sie Dar, näher zu kommen. Dar hockte sich neben die zerbrechliche alte Matriarchin.
»Verzeih mir, Muth Mauk«, sagte Muth-goth mit schwacher Stimme. »Aber ich kann nicht … zu deinem Festmahl kommen.«
»Dann erhole dich«, erwiderte
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