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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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Unserer Mutter ruht.«

    Zwischen die Refrains fügte jede Anwesende wenigstens einen Vers ein. Man erinnerte an Muth-goths Leben und feierte es. Manche Verse waren nachdenklich. Andere drückten Dankbarkeit aus. Viele Trauernde erzählten Geschichten. Dar besang, wie Muth-goth sie über die Bedeutung ihrer Visionen belehrt und ihr verdeutlicht hatte, dass Klugheit wichtiger sei als Schönheit.
     
    Es war Dar zwar nicht ganz geheuer, so kurz nach einer Bestattung ein Festmahl zu veranstalten, doch nach der Bestätigung einer neuen Königin machte der Brauch das erforderlich. Sie war überrascht, wie üppig es ausfiel, denn als einstige Küchenhilfskraft wusste sie, dass viele der aufgetragenen Gerichte eine lange Zubereitungszeit erforderten. Das gefüllte Geflügel musste über Nacht langsam gegrillt werden, mehrere Eintöpfe hatten vom frühen Morgen an auf kleiner Flamme gekocht. Offensichtlich hatte Gar-yat weitaus mehr Zuversicht in Dars Triumph gehabt als sie selbst.
    Noch mehr wurde Dar von der harmonischen Atmosphäre der Festivität überrascht. Die Matriarchinnen, die für die verhängnisvolle Prüfung gestimmt hatten, behandelten sie nun freundlich. Wären sie Menschen gewesen, hätte Dar sie einfach für Heuchler gehalten, doch Orks waren keine Lügner. Die Entscheidung der Steine wurde ohne Murren akzeptiert. Dar war Königin; der Rat schien mit dem Ergebnis zufrieden zu sein. Sogar Muth-yat wirkte über den beigelegten Konflikt erleichtert.
    Als Muthuri aller Urkzimmuthi tischte Dar sämtliche Gerichte auf. Zuerst wurde nur wenig gesprochen, da das Essen so gut schmeckte. Erst eine halbe Stunde nachdem alle gesättigt waren, kam es zu ernsthaften Gesprächen. Muth-tok
befragte Dar nach ihren Reisen, und die Matriarchinnen lauschten gebannt ihrer Beschreibung der Stadt Tarathank. Zwar wurde sie in Geschichten über die Vergangenheit oft erwähnt, doch seit Generationen hatte sie niemand mehr gesehen. Die durch das Fathma gewährte Erinnerung verfeinerte Dars Wissen über die Orte, an denen sie gewesen war. Deswegen nannte sie den Hof, auf dem Kovok-mah und sie sich geliebt hatten, bei seinem uralten Namen – »Singendes Wasser« –, ohne natürlich zu erwähnen, was sich dort abgespielt hatte. Das Mauerwerk, das Duth-tok und Lama-tok so beeindruckt hatte, waren die Ruinen des königlichen Palastes. Von einem der Palasttürme, die jetzt nur noch Steinhaufen waren, hatte die letzte Pah-Königin die Washivoki-Invasoren erspäht. Nachdem Dar Tarathank beschrieben hatte, berichtete sie von den Ereignissen in Taiben, die zum Untergang des Königs und seines Zauberers geführt hatten. Auch diese Geschichte schlug die Anwesenden in ihren Bann.
    Im weiteren Verlauf des Abends nahm Dars Zuversicht und Vertrauen in ihre Macht zu. Nach einigen Runden Falfhissi wurde ihre Stimmung geradezu euphorisch. Sie hatte erneut eine Prüfung Muth’las bestanden und wurde als Königin von niemandem mehr infrage gestellt.
    Nun muss ich die mir verliehene Macht nutzen, dachte sie. Sie wusste schon, wo sie sie einsetzen würde. In Taiben.

30

    ALS SEVREN und Valamar durch die finsteren Gassen Taibens patrouillierten, hörten sie zwar manchmal verdächtig klingende Schritte, doch konnten sie deren Ursprung nie ausmachen. Erst spät nach Mitternacht kamen sie an den Ort eines Verbrechens. Sie gingen gerade durch eine Gegend, in der Kaufleute lebten, als sie ein Scheppern vernahmen, das so klang, als ließe jemand metallene Gegenstände fallen.
    Die beiden Männer eilten auf den Ausgangspunkt der Geräusche zu: eine enge Gasse zwischen zwei Häusern. Als ihre Laternen den schmalen Gang erhellten, sahen sie eine junge Frau, die am Sims eines offenen Fensters hing. Sie ließ sich zu Boden fallen und schnappte sich einen großen Sack, der in ihrer Nähe lag.
    »Halt!«, rief Valamar und zog sein Schwert.
    Die junge Frau zückte ein Küchenmesser aus einer Tasche ihres Hemdkleides und griff den Wachmann an, ohne den Sack loszulassen. Es war ein ungleicher Kampf. Valamar schlug ihr das Messer mit einem Schwerthieb aus der Hand. Doch sie gab nicht auf. Als sie ihn ansprang, tötete er sie
nicht, sondern versetzte ihr einen Schlag mit dem Griff seiner Klinge. Ihre Lippe fing an zu bluten. Sie fiel zu Boden, war jedoch sofort wieder auf den Beinen.
    Sevren griff ein. Er packte die junge Frau, die den Sack noch immer festhielt, obwohl er sie behinderte. Die Finger ihrer freien Hand wollten sich in sein Gesicht krallen, und er entkam

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