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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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Dar.
    »Atmen ist Schwerarbeit. Ich werde bald damit aufhören. Im letzten Sommer … haben wir über Visionen gesprochen. «
    »Ich erinnere mich. Du hast gesagt, sie ergeben einen Sinn, sobald man eine Wahl treffen muss.«
    »Hai. Und … du hast eine gute Wahl getroffen … Meine Vision …« Muth-goth wurde von einem so heftigen Hustenanfall geschüttelt, dass sie nach Luft schnappte. »Es … geht um mehr … einen Feind …« Wieder musste sie husten. Als der Anfall vorbei war, keuchte sie und brauchte länger als beim ersten Mal, um sich zu erholen und weiterzusprechen. »Knochen.«
    Dar fiel Velasa-pahs Warnung ein, und sie spürte eine plötzliche Kälte. »Was ist damit?«
    »Nicht tot. Verändert.« Muth-goth legte sich hin; sie wirkte zufrieden darüber, dass sie ihre Botschaft abgeliefert hatte.
    Dar nahm Muth-goths Hand. Die faltige Haut fühlte sich dünn an. »Shashav für dein Opfer, Mutter. Shashav für die Weisheit, die du mir im letzten Sommer geschenkt hast.«
    Muth-goth lächelte, dann tauchte Deen-yat neben ihr auf. »Muth-goth hat vollendet, was sie vollenden wollte. Nun muss sie ruhen.«
    »Hai«, sagte Muth-goth. »Ruhen … bei Muth’la. Vata … Dargu.«
    Deen-yat bedeutete den Trägern, die Matriarchin in ihre Unterkunft zu bringen. Bevor sie Muth-goth hinaustrugen, schaute Dar ihr kurz in die Augen. Ihr Blick war auf einen fernen Ort gerichtet, doch sie schien ihn deutlich zu sehen.

     
    Bei Tageslicht wirkte die Geschichte des Bettlers weniger überzeugend.
    Sevren kam sich wie ein Trottel vor, weil er in der vergangenen Nacht vor den Männern Reißaus genommen hatte. Er vermutete, dass ihm jemand einen Streich gespielt hatte, und war entschlossen, die Geschichte des Bettlers zu widerlegen. Dies erschien ihm leicht, denn laut der Aussage des Mannes war angeblich auch ein Wachmann den mysteriösen Gestalten zum Opfer gefallen. Sevren machte einen Murdanten ausfindig und fragte ihn, ob jemand während der Nachtschicht verschwunden sei.
    Der Murdant konnte seine Frage beantworten. »Ja, Hackel, den man auch den Nichtsnutz nennt. Er hat vor sechs Nächten die Kurve gekratzt.«
    »Er ist desertiert?«
    »Sieht aus, als wäre er zum Lumpenpack übergelaufen.«
    »Geht er jetzt klauen?«
    »Ja.« Der Murdant nickte. »Aber er war ein jämmerlicher Dieb.« Er lachte. »Vorgestern Nacht hat ein Diener ihn aufgespießt. Er hat ihn in der Vorratskammer seines Herrn erwischt.« Der Murdant schaute Sevren an. »Warum fragst du? Hast doch wohl nicht vor, es ihm nachzumachen? «
    »Nee. Gestern Nacht hat nur jemand über ihn gesprochen. «
    Sevren verließ den Murdanten. Er fühlte sich unbehaglich. Ob der Bettler doch recht hat? Gibt es jemanden, der normale Menschen zu Dieben macht? Es klang absurd. Er wusste nur aus Erzählungen, dass es schwarze Magie gab, hielt das aber für Lügengeschichten. Wenn wirklich jemand in der Lage wäre, anderen Menschen seinen Willen aufzuzwingen, wofür braucht er dann Diebe und Einbrecher? Er wusste keine
Antwort. Und wer in Taiben könnte zu so etwas fähig sein? Der Zauberer ist tot. Dar hat seine Zauberknochen vernichtet.
    Für den Rest des Tages verdrängte Sevren die Geschichte des Bettlers aus seinem Geist, doch als die Zeit für die Nachtschicht kam, regte sie sich wieder. Er erzählte sie Valamar, der sie ebenfalls für unsinnig hielt. Doch dann fiel Valamar etwas ein. »Ich habe die anderen Wachen reden hören«, sagte er. »Sie sagen, dass da irgendwas Komisches im Gange ist. Sollen wir heute Nacht gemeinsam auf Streife gehen? «
    »Ich wäre für ein zweites Augen- und Ohrenpaar sehr dankbar«, erwiderte Sevren. »Und ich glaube, ein zweites Schwert könnte auch ganz brauchbar sein.«
    »Nicht gegen Zauberei«, sagte Valamar.
     
    Kurz nach dem Beginn der Ratssitzung wurde das Ableben Muth-goths gemeldet. Deswegen versammelten sich Dar, die Matriarchinnen, Angehörige der Goth-Sippe und andere Trauernde bei Sonnenuntergang in einem Hof eines älteren Teils der Feste. Dort lag die verstorbene Matriarchin auf einem Stapel mit geöltem Holz. Als die Sonne vom Himmel verschwand, wurde der Scheiterhaufen angezündet. Als die Flammen Muth-goths nackten Leib verzehrten, erinnerte Dar sich daran, dass die Matriarchin ihn nun nicht mehr brauchte. Dann führte sie die Trauernden zum Anfangsrefrain der Beisetzungsklage:
    »Euer Geruch bleibt bestehen,
und wir gedenken eurer,
auch wenn ihr aus dem Blickfeld
und der Berührung geschwunden seid
und nun in den Armen

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