Herrscherin des Lichts
freiwillig dorthin zurückgezogen. Ihre Welt gegen die unterirdischen Höhlen und Gänge getauscht, die sie ins Erdreich gegraben hatten. Tunnel zur Abwasserentsorgung und für die großen Transporter, die den Boden erbeben ließen, wenn sie in der Nähe auf ihren Schienen vorbeifuhren. Sie hatten weitere Schächte ausgehoben, Verbindungswege zwischen den Tunneln geschaffen und nach und nach die ausgedehnten Städte des Untergrundes erbaut.
Als immer mehr Menschen aus der oberen Welt hierher flüchteten, schwang sich einer von ihnen zu ihrem Anführer auf. Seinen Namen auszusprechen war in der Lightworld streng verboten, doch Ayla hatte nicht ihr ganzes bisheriges Leben hier verbracht. Auf dem Streifen, wo sie als Kind gelebt hatte, der neutralen Zone zwischen Dark- und Lightworld, wurde offen über ihn geredet. Madaku Jah, der Prophet. Oder der Verräter,je nachdem, wen man fragte. Doch egal, ob er verflucht oder gepriesen wurde, er hatte jedenfalls eine Armee aufgestellt, die gegen die Geschöpfe kämpfte, die nun die Erdoberfläche bevölkerten, und sie schlussendlich in genau den Untergrund verbannt, in den sie einst die Sterblichen getrieben hatten.
Und nun standen die Zeichen erneut auf Sturm. Nur ein Narr konnte die Vorboten des kommenden Unheils ignorieren. Ein weiterer Kampf braute sich zusammen, dieser aber würde nicht gegen die Menschen geführt werden, den gemeinsamen Feind der beiden Welten des Untergrundes. Dieses Gefecht fände hier statt, zwischen ihnen. Der beunruhigende Gedanke daran verfolgte Ayla hartnäckig, während sie zu den Baracken schlurfte, ihr Körper am Rande des Zusammenbruchs.
Als sie ankam, waren nur die Kobolde gerade dabei, ihre Schlafstätten zu verlassen. Ihre Gier nach dem kleinsten bisschen Sonnenlicht, das sie erhaschen konnten, hatte sie zu ausgesprochenen Frühaufstehern gemacht.
Einer von ihnen blieb vor ihr stehen und grinste sie breit an. „Ayla, du siehst ja grauenhaft aus. Komm mit uns ins Refugium.“
„Natürlich sehe ich grauenhaft aus. Ich habe die ganze Nacht trainiert. Und jetzt muss ich mich ausruhen, solange ich noch kann.“
„Wie du meinst.“ Der Kobold entblößte abermals seine Zähne zu einem verschmitzten Lächeln. Jedes Wesen mit einem Tropfen sterblichen Blutes in sich würde nach einer solchen Nacht im Vergleich zu den reinrassigen, ewig jungen und starken Elfen furchtbar aussehen. Außerdem hatten sie sich ausschlafen können. Sie waren nicht von den schrecklichen Bildern einer unlängst sterblich gewordenen und nun hilflos den Gefahren der Darkworld ausgesetzten Kreatur gequält worden.
Ebenso wenig, wie du dich damit hättest quälen müssen, schalt sie sich selbst. Es gab keinen Grund, an ihn zu denken. Oder ihn zu bedauern. Das war ihr erster Fehler gewesen. Sichnicht über ihren Sieg zu freuen, was sie anscheinend ja nicht tat. Alles, worüber sie nachdenken sollte, war ein guter Grund für ihr Versagen.
Nur, weshalb lag sie dann schlaflos auf ihrer harten Pritsche, die Geräusche der anderen gerade erwachenden Assassine ausblendend, unfähig, die Erinnerung an die Stimme und das schmerzverzerrte Gesicht des Darkworlders einfach zu verdrängen?
4. KAPITEL
M alachi öffnete die Augen, und das Erste, was er wahrnahm, waren ein mechanisches Surren und ein erdrückendes Gewicht auf seinem Rücken. Er lag bäuchlings auf einer harten Platte, die Erinnerung daran, was geschehen war, kam nur langsam zurück. Der Mann im Tunnel, der ihn gestochen und betäubt hatte, seine eigene Angst, als ihm klar geworden war, in was für eine Lage ihn das brachte. Dass er dem, was danach kommen würde, hilflos ausgeliefert sein würde.
Panik ergriff ihn, und es war ein Gefühl, das ihm nicht gefiel. Tatsächlich hatte ihm keine der Emotionen sonderlich gefallen, die er bis jetzt erleben musste. Er ballte die Hände zu Fäusten und stützte sie auf die seltsame Unterlage, auf der er lag, um sich hochzustemmen. Die Kälte des Metalls an den Stellen, wo es nicht von seinem Körper erwärmt worden war, fuhr wie ein eisiger Stich durch seine Finger.
„Halt still, ich bin fast fertig.“ Die Aufforderung klang überraschend ruhig und freundlich, wenn man bedachte, dass der Mann ihn entführt hatte.
Malachi schluckte, sein neuerdings verletzbarer Hals war trocken wie Sandpapier. „Ich habe Durst.“
„Tut mir leid, während der Operation gibt’s nichts zu trinken. Wegen der Hygiene“, antwortete der Mann. Ein dünner bläulicher Schleier zog an Malachis
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