Herrscherin des Lichts
Gesicht vorbei, und als er über den hohen Rand des Tisches schaute, sah er die glimmenden Überreste einer dieser abhängig machenden Papierrollen, nach denen die Sterblichen hier unten ganz verrückt waren. Ständig versuchten sie verzweifelt, genügend davon zusammenzutragen, um ihre Sucht zu befriedigen.
Sterbliche lebten aus zwei Gründen im Untergrund. Entweder sympathisierten sie mit den hierher verbannten Kreaturen, oder sie waren selbst aus der Menschenwelt verbannt worden,weil sie der Magie frönten, mittlerweile ein schweres Vergehen dort oben. Doch welche Umstände diesen Mann nun in den Untergrund verschlagen hatten, interessierte Malachi weit weniger als das, was er da gerade mit ihm anstellte. „Operation? Ich verstehe nicht.“
„Natürlich tust du das nicht.“ Ein weiterer Schub des Surrens, begleitet von einem beißenden Geruch, den Malachi als den versengten Fleisches wiederkannte, unterbrach die Antwort des Mannes für einen Moment. „Deine Rasse, ihr seid ja Geistwesen“, fuhr er dann fort, „braucht keine Reparaturen, zumindest normalerweise nicht. Aber du, du mein Freund … warst in einem ziemlich miserablen Zustand, als ich dich gefunden habe.“
Obwohl die Worte des Mannes fremdartig waren, so erschloss sich Malachi ihre Bedeutung dennoch. Er verfluchte den Menschen innerlich und ließ sich resigniert zurück auf den Tisch sinken. „Du hättest mich sterben lassen sollen.“
„Konnte nicht widerstehen. Ich hatte noch nie das Glück, ein Paar dieser Schönheiten in die Hände zu bekommen. Hör mal, falls du vor mir ins Gras beißen solltest, macht es dir doch nichts aus, wenn ich sie behalte, oder?“ Abermals surrte es, dann sagte er: „Okay, das war’s. Fast so gut wie neu.“
Der Mann ließ von ihm ab, sprang vom Tisch – es musste sein Knie gewesen sein, das so fest auf seinen Rücken gedrückt hatte, überlegte Malachi – und half ihm, sich aufzusetzen. Das Gewicht seiner Flügel riss ihn beinahe gleich wieder um. Sie waren bereits in dem Augenblick viel zu schwer gewesen, als die Umwandlung in einen Sterblichen eingesetzt hatte, doch jetzt hingen sie krumm und schief und sperrig wie zwei Fremdkörper an ihm.
„Was hast du mit mir gemacht?“
„Dir das Leben gerettet. Und deine Flügel.“ Der Mann berührte einen von ihnen, und Malachi machte unwillkürlich ein zischendes Geräusch vor Schmerz. „Na ja, sie werden für einWeilchen noch ziemlich empfindlich sein, aber das wird schon.“
„Wer bist du? Warum tust du das?“ Malachi rutschte an den Rand des Tisches, setzte vorsichtig die Füße auf den Boden und versuchte aufzustehen, doch seine Beine wollten ihn nicht recht tragen. Grelle Sternchen tanzten in Wellen vor seinen Augen, und der Raum schien mit jedem neuen Sternenhagel dunkler zu werden. Er taumelte rückwärts und knickte die Spitzen seiner Flügel an der Tischkante um.
„Nein, nein, nicht umkippen! Ich kann dich dicken Brocken nicht auffangen, wenn du hinfällst.“ Der Mann stützte ihn am Ellbogen, dann streckte er ihm die andere, blutverschmierte Hand hin. „Keller mein Name. Und ich tue das hier, weil ich es hasse, wenn ansonsten kerngesunde Zeitgenossen wie du wegen Kleinigkeiten draufgehen, die man leicht wieder hinkriegen kann. Du wärst da draußen verblutet. Ich will dir nicht reinreden, was du mit deinem Leben anfangen sollst, aber was mich angeht, ich führe lieber eins, das zu irgendwas gut ist, anstatt alleine in der Kanalisation zu verrecken. Ist wirklich ein Höllenloch, dieser stinkende Irrgarten.“
„Wo bin ich?“ Malachis Sicht wurde wieder klarer, und er blickte sich um. Überlappende Rohre verschiedener Dicke hingen wie ein Gitter an der Decke, und der Mensch hatte sie als Aufhängung für mehrere viel zu helle Lampen benutzt, die ein grauenhaftes, monotones Summen von sich gaben. Die bröckligen Wände waren mit langen Stücken aus Maschendraht bedeckt, wodurch eine Art einfacher Schutzwall entstand. Überall standen Kisten, Stahlschränke und sich unter Bergen von Werkzeugen und Ersatzteilen biegende Tische und Arbeitsbänke.
„Willkommen in meiner Werkstatt“, sagte Keller mit gespieltem Stolz. „Ja, im Kanalisationsdistrikt. Aber hey, die Miete ist spottbillig, und immerhin hab ich ein trockenes Plätzchen erwischt. Du würdest nicht glauben, was es hier für Bruchbuden gibt – die Bewohner müssen in Hängematten schlafen, weil der Schlamm da drin einem bis zu den Knien geht.“
Malachi schwieg dazu. Er hatte
Weitere Kostenlose Bücher