Herrscherin des Lichts
Stich des Bedauerns sah Garret zu, wie seine Wachen den Rest seiner königlichen Habseligkeiten in den Karren luden. Nach all der Zeit, die er investiert hatte, nach all den Plänen, die er geschmiedet, wieder und wieder überdacht und letztlich in die Tat umgesetzt hatte, den Palast zu verlassen, war es, als würde er sein großes Ziel aufgeben. Und so kurz, bevor er es endlich erreicht hatte.
„Eure Majestät?“, riss eine Stimme ihn aus seinen Gedanken, und Garret drehte sich um. Bran, ehemals Mitglied des königlichen Konzils – nein, genau genommen keinesfalls ehemals –, wartete neben dem Fuhrwerk. „Wir sollten jetzt gehen, ehe wir zu viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen.“
„Natürlich. Danke.“ Garret ging zum hinteren Teil des Karrens, schwang sich hinauf und gab den Wachen an der Vorderseite, die ihn und sein Gepäck ziehen würden, ein Zeichen.
„Es ist nicht für lange, Eure Hoheit.“ Bran war scharfsinnig. Er hatte den Grund für Garrets Missmut nach nur wenigen Sekunden der Beobachtung erkannt. „Schon bald wird die falsche Königin endgültig entmachtet sein, und Ihr werdet Euren rechtmäßigen Platz wieder einnehmen.“
„Selbstverständlich werde ich das“, antwortete Garret, ein wenig harscher, als er beabsichtigt hatte. Um zu vermeiden, dass er zu angespannt, zu unsicher wirkte, fügte er hinzu: „Ich habe großes Vertrauen in die Fähigkeiten meiner treuen Untergebenen, die mir in dieser Sache zur Seite gestanden haben und es auch weiterhin tun.“
Der Karren rumpelte vorwärts, und abermals erfasste Garret der Schmerz darüber, von seinem Geburtsrecht Abstand nehmen zu müssen.
Ich komme zurück, versprach er stumm. Ich komme zurück.
21. KAPITEL
D ie Heiler beherrschten ihre Kunst meisterhaft. Innerhalb der wenigen Stunden, die sie Malachi betreut hatten, hatte er unglaubliche Fortschritte gemacht. Ayla konnte dabei zusehen, wie er sich vom Schwerverletzten zum gesundenden Kranken verwandelte, bis hin zu der beinahe schon guten Verfassung, in der er jetzt vor ihr stand.
„Du kannst gehen.“ Sie fühlte ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht erscheinen und wusste, dass sie wahrscheinlich heller strahlte als der Mond.
Er lächelte auch, und es war wie zu der Zeit, als sie zusammen in der Werkstatt des seltsamen Menschen gewesen waren. Der Mensch. Ob er wohl nach Malachi suchte? „Weiß Keller, wo du bist?“
Malachis Lächeln verblasste, und sein eben noch glücklicher Blick wurde leer. „Er ist tot. Die Krieger, die mich gefangen genommen haben, haben ihn getötet.“
Der Gedanke an Malachis menschlichen Freund, so zerbrechlich und schutzlos, niedergemetzelt von Garrets Häschern, ließ Tränen der Wut in ihren Augen aufsteigen. Sie hielt sie zurück. „Aber du bist am Leben. Das ist es, was zählt.“
„Ist es das, ja?“ Malachi schüttelte den Kopf. „Er hat dir genauso viel geholfen wie mir. Hast du denn gar keine Gefühle?“
Das traf sie. „Ich habe … Gefühle. Für dich.“
Er antwortete nicht. Stattdessen ging er zu seinem Bett und setzte sich auf die zerwühlte Decke. „Dich plagt etwas.“
Sie wollte nicht darauf eingehen, trotzdem kamen wie von allein Worte aus ihrem Mund. „Ich bin besorgt.“
„Worüber?“ Malachi klopfte auf den Platz neben sich, eine Geste, die so menschlich und als solche überraschend für sie war, dass Ayla für einen Moment erstarrte. Sie zwang ihre Beine, sich vorwärts zu bewegen, und setzte sich unschlüssig zu ihm.
Wie könnte sie ihm ihre Ängste offenbaren und ihn damit belasten, nachdem er schon so viel durchgemacht hatte? Dass, wenn sie einfach tatenlos abwartete, Garret den Thron früher oder später für sich erobern würde. Und sie in diesem Fall ihr Leben verlieren würde und Malachi seines.
Oder ihm gar sagen, dass sie vielleicht gezwungen wäre, zu kämpfen, und womöglich dabei sterben könnte und er dann genauso verloren war?
Es war besser, ihm nichts von alldem zu erzählen, nicht bevor irgendetwas überhaupt feststand. Also winkte sie ab und sagte: „Es ist nichts.“ Sie legte den Kopf in seinen Schoß und behielt ihre Furcht für sich, hoffend, er würde sie ihr nicht ansehen.
Er strich ein paarmal über ihre Haare, ehe seine Hand auf ihrem Nacken zu liegen kam, wo sie sich wie eine Bürde anfühlte. „Dir liegt nichts an mir, sonst würdest du mir erzählen, was dich quält.“
„Ich erzähle es dir nicht, um dich zu schützen.“ War dies das richtige Wort für ihre Absicht? Es ging ihr um
Weitere Kostenlose Bücher