Herrscherin des Lichts
stehen, dann griff sie unwirsch nach der Stofffalte und riss sie ihm aus der Hand.
„Geh nicht“, flehte er sie an, wohl wissend, dass er genauso jämmerlich klang, wie er sich fühlte. „Gut, du verbannst mich. Ich habe keine andere Wahl, als mich zu fügen. Du bist die Königin. Aber bitte, bleib wenigstens bis zum Morgen bei mir. Lass mich nicht so zurück.“
„Wie dann?“ Ihre Stimme war schmerzerfüllt. „Wenn ich könnte, würde ich nichts lieber tun, als dich für immer bei mir zu behalten. Aber du willst einfach nicht verstehen, dass es unmöglich ist. Egal wie oder wann ich am Ende gehe, du wirst mich in jedem Fall dafür hassen.“
Sie dachte, er würde sie hassen? Der bloße Gedanke war vollkommen absurd. Ja, er war wütend auf sie. So wütend, dass er nicht wagte, sie zu berühren, weil er befürchtete, ihr in seiner Verzweiflung wehzutun. Aber wie sehr ihre Entscheidung ihn auch niederschmetterte, er konnte sie nicht hassen, selbst wenn er gewollt hätte.
Vielleicht war das Grund genug, damit anzufangen. Die Tatsache, dass er für den Rest seiner Tage, wenngleich ihm in dieser sterblichen Hülle nur noch vergleichsweise wenige davon vergönnt waren, dazu verdammt sein würde, mit dieser Liebe in sich zu leben, die bei jedem Atemzug in seiner Brust brannte wie Feuer.
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging. Und er ließ sie gehen. Sie hatte recht. Selbst wenn er sie mit Gewalt festhielte, ihr schwor, sie nie wieder loszulassen – früher oder später musste er sie schließlich doch ziehen lassen. Und dieser Augenblick würde jedes Leid, welches das Schicksal sich bis jetzt für ihn ausgedacht hatte, in den Schatten stellen.
Ayla nahm den Geheimgang, um in ihre Gemächer zurückzugelangen, darauf achtend, dass sie niemand hineinschlüpfen sah. Sie traute Garret mittlerweile alles zu, auch dass er es sich womöglich anders überlegt und beschlossen haben könnte, es sei einfacher, einen Auftragsmörder anzuheuern und ihn die Sache für sich erledigen zu lassen. Und sie hatte nicht vor, denjenigen direkt in ihr Schlafzimmer zu führen.
Sobald sie das Ende des Ganges erreicht hatte, trat sie durch die versteckte Tür, steuerte geradewegs auf ihr Bett zu, ließ sich hineinfallen und zog die Decke bis zum Kinn hoch. Was ihre Dienerschaft zu der Annahme verleitete, sie sei nicht in der Lage, sich allein zuzudecken, war ihr schleierhaft. Es schien fast, als würde, je mächtiger jemand war, desto mehr seine Fähigkeit infrage gestellt, die einfachsten, alltäglichsten Dinge zu tun.
Die einfachsten, alltäglichen Dinge, wie die Person zu töten, ohne deren Hilfe sie wahrscheinlich schon längst auf dem Streifen elendig verhungert wäre.
Obwohl sie wusste, wie wichtig es war, vor einem Kampf auszuruhen und Kraft zu schöpfen, ganz besonders vor diesem – der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Wieder und wieder rief sie sich jedes kleine Detail ihrer gemeinsamen Trainingseinheiten ins Gedächtnis und versuchte seine Schwächen herauszufiltern. Es gab keine. Er verfügte über Jahrhunderte der Kampferfahrung. Was konnte sie in ihren lächerlichen fünf Jahren Gildenzugehörigkeit gelernt haben, das ihr gegen einen Gegner wie ihn von Nutzen sein könnte?
Sie wälzte sich unruhig im Bett umher, bis sie es nicht mehr aushielt und resigniert aufstand. Doch anstatt ziellos im Zimmer auf und ab zu laufen, ging sie schnurstracks zu Mabbs Frisiertisch, warum, konnte sie sich selbst nicht erklären. Alles stand noch immer unberührt an seinem Platz. Es war wie ein Totenaltar, und Ayla hatte plötzlich das Gefühl, den Geist ihrer Vorgängerin spüren zu können, als würde sie genau hinter ihr stehen und über ihre Schulter blicken. Und dann tauchte, im Lehnstuhl vor dem Spiegel sitzend, Mabbs Gestalt neben Aylas Spiegelbild auf.
Ayla drehte sich nicht um. Hätte sie es getan, wäre die Erscheinung sofort verschwunden. Keine unsterbliche Seele würde es einem Lebenden gestatten, sie direkt anzusehen.
In ihrer jenseitigen Form schimmerte Mabbs transparente Haut in exakt der eisblauen Farbe, die ihre Augen gehabt hatten, als sie noch lebte, und dort, wo die Äste ihres vergänglichen Körpers zu trockenen Stümpfen verdorrt waren, verblasste das Blau langsam im Nichts. Ihr Gesicht war weder freundlich, noch war es hasserfüllt. Sie machte der neuen Königin keinen Vorwurf für das Geschehene.
Es gab nichts, das Ayla zu ihr hätte sagen können. Sie hatte nie Zuneigung für ihre ehemalige
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