Herrscherin des Lichts
Aufmerksamkeit, die sie erregten, marschierte Keller weiter, an einer Gruppe auffallend blasser Menschen vorbei. „Nicht solche Flügel wie deine. Ich muss sagen, die sind mir wirklich gut gelungen. Hey, nimm dich vor denen da in Acht, das sind Vampire.“
Die erwähnten Kreaturen rissen wie auf ein Stichwort hin ihre Münder auf und fletschten blitzende, sehr spitz aussehende Zähne. Einer von ihnen, ein weiblicher Vampir mit raspelkurzem Haar und in einem engen Ledermieder, das den Busen fast bis zum Hals hochquetschte, machte einen Schritt auf Malachi zu und legte ihm eine Hand auf die Brust. Sie war rau und eiskalt.
„Na, wollen wir ein bisschen spielen, hübscher Flattermann?“ Sie lachte, dabei entblößte sie gelbliche, bedrohlich lange Fangzähne. Dann beugte sie sich vor, ihr offener Mund nur Zentimeter von Malachis Kehle entfernt. „Komm schon, du weißt, dass du es willst.“
„Ich kann den Tod an dir riechen, gottlose Kreatur“, flüsterte er ihr ins Ohr. Die Blutsaugerin schreckte mit einem zischenden Laut zurück, als ob sie sich an etwas Heißem verbrannt hätte.
„Rührt ihn nicht an, er ist ein Todesengel!“, kreischte sie, worauf die übrigen Vampire in Gelächter ausbrachen.
Einer, ein männlicher Glatzkopf mit blauer Tätowierung auf der Stirn, versetzte ihr einen Stoß, sodass sie rückwärts taumelte. „Er ist sterblich, du dumme Pute.“ Wieder lachten die anderen lauthals. „Was könnte er also tun? Außer ein fettes Mahl für uns abgeben?“
„Ich werde kein Mahl für euch abgeben“, warnte Malachi, Kellers Zupfen an seinem Ärmel ignorierend.
„Wir sollten jetzt besser keinen Streit vom Zaun brechen“, bekniete der Bio-Mech ihn und versuchte ihn fortzuziehen. „Nicht mit Gegnern, die ein ganzes Waffenarsenal im Mund mit sich rumtragen. Es sollte besser noch was von dir übrig sein, wenn wir bei der Heilerin ankommen, sonst war der ganze Ausflug umsonst.“
Der kahle Vampir grinste breit. „Hör lieber auf deinen feigen Freund. Er weiß, wovon er redet.“
Ein großer Schlaksiger mit langen schwarzen Haaren fauchte Keller an, Malachi machte einen Satz rückwärts und wäre beinahe gestürzt, als er reflexartig versuchte, sich an irgendetwas festzuhalten.
„Wäre ich nicht sterblich …“, begann Malachi, dann erkannte er seinen Irrtum. Wäre er nicht sterblich, hätte er nicht einmal über den freien Willen verfügt, diesen seelenlosen Kreaturen ein Leid anzutun.
Der Vampir wusste das auch. Er lachte und packte seine Begleiterin am Handgelenk. Mit einem Grollen in Malachis Richtung sagte er: „Aber du bist es. Und wenn wir uns das nächste Mal begegnen, werde ich dafür sorgen, dass du es nicht wieder vergisst.“
„Ja, sehr freundlich“, japste Keller, praktisch vor dem Wesen auf dem Boden rutschend, so tief verbeugte er sich. „Danke für die Warnung. Mac, lass uns hier verschwinden.“
Er sagte keinen Ton mehr, bis sie ein gutes Stück Abstandzwischen sich und die Gruppe Vampire gebracht hatten. „Versuchst du absichtlich, dich abmurksen zu lassen, oder ist das eine deiner göttlichen Gaben, für die du nichts kannst?“
„Ich habe keine Sympathie für die Untoten.“ Und warum sollte er auch? Ihre Seelen waren in dem Moment zerstört worden, in dem sie sich für ein ewiges Dasein auf der Erde entschieden und damit die Verheißung, eines Tages in den Himmel aufzusteigen, für immer ausgeschlagen hatten. Vielleicht weniger eine Verheißung denn ein weit entfernter Wunschtraum, aber das war keine Entschuldigung. Umherwandelnde Körper ohne Seele waren unrein, verdorben.
Keller drehte sich um und stoppte ihn, indem er ihm eine Hand auf die Schulter legte. Das Gesicht des Menschen, sonst meistens ausgesprochen gelassen, nahm einen Ausdruck furchtsamer Ernsthaftigkeit an. „Sympathie oder nicht, du bist nicht mehr unzerstörbar, Mann. Und ich bin es noch nie gewesen. Also tu mir einen Gefallen, so wie ich dir schließlich auch einen tue, und leg es nicht mehr drauf an, dass uns ganz gewaltig der Arsch aufgerissen wird.“
Sie trotteten weiter durch die umherwuselnden Massen. Nach kurzer Zeit hatten sie schon wieder einen Rattenschwanz neugieriger Schaulustiger im Schlepptau. Das Geschiebe und Geschubse in den engen, überfüllten Gassen wurde immer schlimmer. Malachi mochte es nicht, von so vielen Augenpaaren beobachtet zu werden.
„Dieser Ort beginnt mich zu ermüden. Wo ist dieser Heiler?“
„Gleich da vorne“, rief Keller ihm über die Schulter
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