Herrscherin des Lichts
aus der Oberwelt, mit diesen ulkigen Metallspiralen, die das ganze Gebilde nachgeben und federn ließen, wenn man sich darauflegte. Solch ein Komfort war sehr schwer zu erlangen, und Ayla fügte ihn zu ihrer Liste mit Gründen hinzu, die dafürsprachen, Garrets Angebot zu akzeptieren. Aber es wäre unklug, ihm jetzt eine Antwort zu geben, solange er innerlich noch immer derart unter Hochdruck stand. „War die Königin sehr ungehalten?“
„Das kann man wohl sagen“, antwortete er, doch es schien, er spreche mehr mit sich als zu ihr. „Sie hat mich für morgen noch einmal zu sich bestellt. Also bleibt uns die ganze Nacht, falls du sie mit mir verbringen möchtest, und dann könntest du morgen früh von hier aus zu deiner Mission aufbrechen.“
Sie nahm die Pergamentrolle, die er ihr hinhielt, öffnete sie und schaute das Papier an, doch schlauer war sie dadurch auch nicht. „Was steht da?“
„Es wurde von Mabb persönlich geschrieben. Sie verfügt den Tod von fünf Dämonen. Offenbar hat es einen … sprunghaften Anstieg ihrer Population an einigen Orten nahe der südlichen Grenzen der Lightworld gegeben, wo der Streifen sich nicht als Puffer zwischen unserer und der Darkworld entlangzieht. Die Königin will dem Dämonenherrscher eine kleine Botschaft übermitteln.“ Er machte eine Pause. „Wenn du den Auftrag lieber nicht annehmen möchtest …“
Den Auftrag nicht annehmen! Eine solche Ehre wie diese Anweisung direkt aus Mabbs Feder war Ayla noch nie zuvor zuteilgeworden.
„Ich kann veranlassen, dass deine Sachen morgen früh hergebracht werden“, fuhr Garret fort. „Wir könnten ein wenig ausschlafen, vielleicht dem Refugium einen Besuch abstatten. Ich halte es für angemessen, wenn der Beginn unseres gemeinsamen Lebens der Tradition folgend dort stattfinden würde.“
Sie zwang sich, bei diesen Worten nicht zusammenzuzucken. Stattdessen lächelte sie. „Es wäre mir unangenehm, Ihre Majestät warten zu lassen.“
Er nickte. „Ihre Majestät. Ein Titel, den du selbst eines Tages innehaben könntest, Ayla. Falls du mich als deinen Gefährten akzeptierst.“
„Du sprichst von Dingen, die weit in der Zukunft liegen, wenn sie überhaupt jemals eintreten. Du weißt so gut wie ich, dass deine Schwester bis auf wenige Ausnahmen unsterblich ist. Und von ihrem Tod zu reden, und sei es auch nur theoretisch, wäre Hochverrat.“ Ayla blickte unsicher über ihre Schulter, als erwarte sie, jede Sekunde könnte einer von Mabbs Spionen aus der Truhe vor Garrets Bett springen und sie, die Verräterin, in den Kerker schleifen.
Womöglich war Garret ein Spion und versuchte nur, sie dazu zu bringen, etwas Unbedachtes zu sagen? Nein, das war lächerlich. Garret hatte ihr nie irgendeinen Grund gegeben, an seiner Zuneigung und Loyalität zu zweifeln. Das Leben am Hof hatte dem Keim des Misstrauens in ihr erlaubt, zu einem wuchernden Gestrüpp heranzuwachsen, und sie verfluchte es.
Plötzlich spürte sie Garrets Handfläche, die sich sacht um ihren Nacken schloss, seine Zunge, die ihr Ohrläppchen kitzelte. Sie entwand sich seinem Griff. Um sich vom Pochen ihres Blutes abzulenken, das sie durch ihre Adern rauschen fühlte, gratulierte sie sich für ihre Voraussicht, ihr Schwert mitgebracht zu haben. So konnte sie sich ohne Verzögerung in die Darkworld aufmachen.
„Ayla, ich wünschte, du würdest nicht gehen“, versuchte Garret noch einmal, sie umzustimmen, doch dann verstummte er und schaute sie nur hilflos und gutmütig an. Es war eine eingeübte Geste, darauf würde Ayla jede Wette eingehen, aber sie nahm es ihm nicht übel. So viele am Hof perfektionierten ihr Auftreten in der Öffentlichkeit auf diese Weise, und es war bestimmt manchmal schwierig, die Maske außerhalb der Palastmauern einfach wieder abzulegen.
Sie zog die Tür auf und legte den Riemen ihrer Schwertscheide um ihre Brust, das Gewicht der Waffe ließ sie um ein Haar über die Schwelle stolpern.
„Dämonen sind tollpatschig und leicht zu töten. Ich werde nicht lange weg sein.“
„Und wenn du zurück bist, wirst du mir dann eine klare Antwort geben?“ Garrets Stimme hatte einen neckenden Unterton angenommen. Er war sich anscheinend schon sicher, wie ihre Antwort ausfallen würde.
Einen tiefen Atemzug nehmend schwang Ayla sich durch die Türöffnung und breitete die Flügel aus. Bevor sie zum Boden des Tunnels hinunterschwebte, drehte sie sich noch einmal um. „Wenn ich wiederkomme, werde ich Ja sagen.“
9. KAPITEL
D er Streifen.
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