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Herz an Herz

Herz an Herz

Titel: Herz an Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer , Sven Ulrich
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ich Ihre elektronische Post geöffnet, gelesen und mir schon beim Lesen Gedanken über die Antwort gemacht, sodass ich immer weniger Einzelheiten Ihrer Mail aufgesaugt habe, sondern immer mehr von dem GEFÜHL der ganzen Angelegenheit übermannt wurde.
    Ich las Dinge wie «barfuß», «perfekter Abend», «Heiratsantrag» und «Lange Schreibe, kurzer Sinn», und jedes Wort trieb mich in eine völlig neue Umlaufbahn, jedes Wort brannte auf Antwort. Und während ich weiterlas, antwortete ich in Gedanken bereits, eben wie in einem Rausch.
    Nein, ich bin nicht betrunken (auch wenn ich gerade ein Bier
und
ein Glas Rotwein intus habe), aber es ist doch eine Art Trunkenheit, eine Art Magie, die mich erfasst. Es ist wie bei einem Pingpongspiel im Freien. Sie haben den ersten Ball geschlagen, die Bewegung Ihres Körpers klingt noch aus, Ihre Haare schwingen durch die Luft, während Sie mit nackten Füßen im Gras stehen und dem Lauf des Balls folgen, der schnell auf mich zufliegt. Und während ich aushole und Ihren angeschnittenen Ball bewundere (nicht schlecht, obwohl «Lange Schreibe, kurzer Sinn» natürlich eher meine Schreibe ist, aber egal), während ich also den von Ihnen geschlagenen Ball bewundere, höre ich die Musik von … Moment, ich muss eben in Ihre Mail gucken, wie heißt diese Dame gleich? Ach ja, Anna Netrebko … und finde sie einfach wunderschön (die Musik und Sie natürlich auch!!!). Die Sängerin kenne ich nicht, werde am Montag aber in einen CD -Laden gehen und mir eine Scheibe kaufen.
    Der Ball fliegt also in Zeitlupe auf mich zu. Ich sehe ihn näher kommen und hole im gleichen Moment aus, um zu returnieren. (Frage mich gerade, wo das Wort so plötzlich herkommt …) Meine Hand fliegt nach hinten, meine Füße drehen sich, meine Augen liegen auf dem Ball. Dann geht alles verdammt schnell, aber gleichzeitig wie in Zeitlupe.
    Sie lächeln sanft im Hintergrund und warten auf meinen Schlag. Wo wird der Ball landen? Wie müssen Sie reagieren? Vielleicht werde ich Sie überraschen, und Ihr Schläger wird ins Leere sausen. Dann werden wir beide laut lachen.
     
    Das alles geht mir also durch den Kopf, während ich Ihre Mail lese. Die Zeilen empfinde ich fast körperlich, und ich weiß, Ihr Brief ist sehr ausführlich und verlangt nach genauen Antworten. Aber die kommen erst morgen, denn erst folgt hier mein schneller Return. Jetzt ist der Ball an der richtigen Stelle, mein Schläger saust nach vorne. Ich sehe den Ball, und gleichzeitig sehe ich Ihren Blick. Und …
    In dem Moment, in dem ich zuschlage, nein, in dem winzigen Moment, BEVOR ich zuschlage, da friert das Bild ein. Frau Netrebko singt nicht mehr, und im Hintergrund hört man nur das leise Geräusch eines Druckers, der Ihre E-Mail ausdruckt, damit ich sie gleich bei einem weiteren schönen kühlen Bier noch einmal durchlesen kann.
     
    Ihr aufgedrehter Volleyschläger
    Berti Huber
    ***
    So 17. Oktober  00:37
    Betreff: P. S.
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
     
    Okay, es waren drei statt einem Glas Rotwein.
    ***
    Mo 18. Oktober  19:50
    Betreff: hallo sagen
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
     
    Liebe Sara Becker,
    es gibt Tage, die stehen still. Und manchmal gibt es Wochen, die bewegen sich keinen Zentimeter. Man fragt sich, wofür lebt man eigentlich, wenn die Zeit einfach so vorbeirollt und nichts hinterlässt als das Gefühl, nichts festhalten zu können. Dabei sind es, oberflächlich betrachtet, sehr schöne Tage.
    Heute war ein außergewöhnlich sommerlicher Herbsttag (ich weiß, es ist rein rechnerisch kein Sommer mehr, aber es fühlt sich so an), und ich kann im Hemd auf meinem magischen Balkon sitzen und in den Himmel starren.
    Ja, ich weiß, ich bin Ihnen die Antwort noch schuldig, warum dieser Balkon magisch ist. Ich wohne im vierten Stock, und mein Balkon geht nach hinten in einen kleinen Hof, wo die Anwohner der umliegenden Häuser ihre Wäsche aufhängen. Die Mülltonnen stehen streng genommen in der Mitte des Hofes, aber für die Parteien unseres Wohnblocks (die mit ihren Häusern ein U bilden) ist es das Ende unseres Hofes. Die andere Hälfte gehört zu den gegenüberliegenden Häusern, die nicht zu den Wohnungen unserer Baugenossenschaft gehören. Man sieht sie kaum, denn zwei große Bäume versperren die Sicht auf die anderen Häuser und deren Garagen.
    Eigentlich ist die Aussicht von meinem Balkon also nichts Besonderes. Im Grunde ist hier hinten alles

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