Herz aus Eis
nicht so sicher.“
Sie lächelte. Sie mochte es, wenn er sie neckte. Gerade eben noch war sie deprimiert gewesen, jetzt fühlte sie sich getröstet und aufgemuntert. Sie war gern mit Kristian zusammen. Er war geistreich und humorvoll, sah gut aus und war ein angenehmer Gesellschafter. In der letzten Woche hatte sie ihre Gefühle für ihn mit der Ermahnung zu dämpfen versucht, dass er bald wieder nach Athen zurückkehren und Cosima heiraten würde. Doch das hatte ihr Herz nicht davon abhalten können, jedes Mal, wenn er den Raum betrat oder wenn sie seine Stimme hörte, einen kleinen Hüpfer zu machen.
„Ich weiß nicht genau, wie spät es ist“, sagte er jetzt. „Ich nehme an, ungefähr fünf.“
Elizabeth sah auf ihre Armbanduhr. „Zehn nach fünf.“
„Ich habe ein Dinner arrangiert. Das heißt, Sie müssten sich umziehen. Können Sie um sechs fertig sein?“
„Essen wir nicht hier?“
„Nein.“
„Wir gehen aus?“ Perplex ließ sie den Blick über das tiefe Tal wandern. Sicher, Pirro nahm diesen Berg jede Woche in Angriff, aber sie konnte sich Kristian beim besten Willen nicht auf einem Eselskarren vorstellen.
„Ist das ein Problem für Sie?“
„Nein, natürlich nicht.“ Ganz ehrlich war die Antwort nicht. Zweifelnd sah Elizabeth in die einbrechende Dämmerung hinaus. Es würde sie Stunden kosten, den Berg hinabzukommen. Dann wäre es längst dunkel. Daran hatte Kristian wahrscheinlich gar nicht gedacht. Seine Welt war immer dunkel.
Kristian hatte das Zögern in ihrer Stimme gehört. Er versteifte sich. Er hasste es, sie nicht sehen zu können, vor allem bei solchen Gelegenheiten. Nie hatte er früher gewusst, wie sehr er sich auf seine Augen verließ, um Dinge zu entscheiden.
Wieso zeigte sie nicht mehr Begeisterung? War sie verärgert? Könnte er ihre Miene sehen, wüsste er dieses Zögern sofort zu deuten. Doch so hatte er nicht die geringste Ahnung. Dieses Gefühl von Unsicherheit und Hilflosigkeit hasste er. Er war keine hilflose Person. Doch jetzt war alles anders, alles war so viel schwerer und härter zu ertragen geworden.
Seine Träume auch.
Die Albträume, die ihn nicht schlafen ließen. Oder die schlimmere Sorte – die, aus denen er nicht aufwachen konnte. Selbst wenn er sich zu beruhigen versuchte, dass es nur Träume waren, sie ließen ihn nicht los. Ob bei Tag oder Nacht, es war das Gleiche. Für ihn herrschte immer Dunkelheit.
„Wenn Sie lieber nicht ausgehen wollen …“, setzte er vorsichtig an. Er konnte es ihr nicht einmal verübeln, wenn sie sich nicht mit Frankensteins Monster sehen lassen wollte.
„Nein, Kristian, das ist es nicht, ganz und gar nicht“, widersprach sie sofort. Sie legte die Hand auf seinen Arm, zog sie hastig wieder zurück.
Und doch beruhigte ihn diese flüchtige Berührung. Ließ ihn sich lebendig fühlen. Der Himmel wusste, wie selten er sich zwischen der Dunkelheit, den Albträumen und der Trauer um seinen Bruder lebendig fühlte.
„Ich würde sehr gerne ausgehen“, fuhr sie fort. „Ich weiß nur nicht, was ich anziehen soll. Lässig oder elegant?“
Kristian drückte die Spitze des Blindenstocks in den Boden, weil er sonst nach ihr gegriffen hätte. Er wollte die seidige Haut ihrer Wange fühlen, die ihn an samtige Rosenblätter erinnerte. Alles in seinem Körper schmerzte, ein eiserner Ring legte sich um seine Brust, um sein Herz.
„Ich werde mich nicht lässig anziehen“, seine Stimme war rau, es entsetzte ihn selbst. „Aber Sie sollten etwas tragen, in dem Sie sich wohlfühlen. Es könnte spät werden.“
In ihrem Zimmer wirbelte Elizabeth ausgelassen herum.
Sie gingen gemeinsam aus, und es würde ein langer Abend werden!
Ihr war regelrecht schwindlig vor Aufregung, während sie sich duschte und zurechtmachte. Wohin gingen sie wohl, und wie spät mochte es wohl werden?
Diese Aufregung war natürlich absolut lächerlich! Dennoch … sie freute sich unbändig.
Mit dem Wissen, dass Kristian in formellem Aufzug erscheinen würde, sah sie ihre Garderobe durch und entschied sich für das einzige Kleid, das sie mitgebracht hatte – ein schwarzes Cocktailkleid mit elfenbeinfarbenem Spitzeneinsatz.
Während sie sich vor dem Spiegel das Haar fönte, hielt sie strenge Zwiesprache mit sich, um ihre chaotischen Gefühle unter Kotrolle zu bringen: Du bist seine Krankenschwester, mehr nicht.
Doch die strahlenden Augen, die ihr entgegenblickten, machten die Mahnung wirkungslos.
Sie überlegte, das lange Haar offen zu lassen, doch
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