Herz aus Eis
Trainingsraum ging, um Pirro zu fragen, welche Anweisungen er ihr für das Wochenende geben wollte, bevor er für zwei Tage zurück zu seiner Familie fuhr. Perplex erblickte sie Kristian in leichtem Trab auf dem hochgestellten Laufband.
„ Ti kanis?“ Pirro gesellte sich zu ihr. „Wie geht es Ihnen?“
„ Kalo . Danke, gut“, antwortete sie lächelnd und deutete dann mit dem Kopf zu Kristian hinüber. „Ist das nicht ein bisschen zu viel für ihn?“ Sie machte sich wirklich Sorgen. „Vor zwei Wochen konnte er kaum stehen, und jetzt rennt er. Das könnte ihm schaden.“
„Er rennt nicht.“ Pirro sah über die Schulter zurück zu Kristian. „Sehen Sie, wie schräg das Band steht? Das heißt, er wandert eine Anhöhe hinauf. Wir steigern den Schwierigkeitsgrad langsam. Das wird seine Beinmuskulatur stärken.“
Kristians Miene zeigte äußerste Konzentration. Mit durchgestrecktem Rücken und erhobenem Kopf lief er auf dem Band, ohne sich am Geländer festzuhalten. Schweiß rann ihm übers Gesicht, seine Wangen waren dunkelrot vor Anstrengung, und Elizabeth dachte, dass er nie besser ausgesehen hatte. Oder stärker. Sein Atem ging schwer, aber es war ein regelmäßiges, tiefes Atmen.
Sie ging zu der Maschine und prüfte die Angaben auf dem Display. Kristians Herzfrequenz war normal. Sie kehrte zu Pirro zurück.
„Sie meinen also, es ist wirklich nicht zu viel für ihn?“ Elizabeth schwankte zwischen Stolz und Sorge. Natürlich freute sie sich über Kristians Fortschritte, aber sie befürchtete auch, dass er zu viel von sich verlangte und damit eventuell einen Rückschlag provozierte.
„Zu viel?“ Pirro grinste breit. „Sie kennen Kyrios Kristian nicht. Das ist kein Mann, sondern ein Monster.“
Ein Monster.
Das Wort hatte Kristian bei ihrem ersten Treffen benutzt, an jenem Tag, als er sich den Verband von den Augen gerissen hatte. Frankensteins Monster. Dabei war er weit davon entfernt. Er war ein größerer Held, als er ahnte.
Schon bald würde er nach Athen zurückkehren. Zu der Frau und dem Leben, die dort auf ihn warteten. Er würde Cosima heiraten – scheinbar kannten die beiden sich schon ewig –, würde eine Familie gründen und ein langes, glückliches Leben führen.
Trauer erfüllte ihr Herz, wenn sie daran dachte. Und der Gedanke, dass er Cosima heiratete, brachte diese Trauer zum Überlaufen … Dabei war sie doch deshalb hergekommen.
Elizabeth versuchte den Kloß in ihrer Kehle herunterzuschlucken. Sie war gekommen, um Kristian in das Leben zurückzuhelfen, das er hinter sich gelassen hatte.
Der Kloß wurde nur noch dicker. Kristian, der griechische Tycoon, war für ihre Gefühlslage verantwortlich. So hatte sie nie für ihn fühlen wollen. Doch er verblüffte sie, er beeindruckte sie, er berührte ihr Herz mit seinem Mut, seinem Einfühlungsvermögen, ja, mit seiner Unsicherheit. Er weckte so viele verschiedene Gefühle in ihr. Die stärksten davon waren Zärtlichkeit und Hoffnung.
„Soll ich ihm etwas von Ihnen ausrichten?“ Pirro wollte zu seinem Trainingskandidaten zurück.
Elizabeth sah zu Kristian hinüber, diesem Hünen von einem Mann, der sie in jeder Hinsicht überrascht hatte, und ihr Herz setzte zu einer rasanten Schussfahrt an. Er sah so gut aus, dass es sie immer wieder in Erstaunen versetzte. Die Narbe auf seiner Wange ließ ihn nur noch männlicher wirken, noch schöner. „Nein“, murmelte sie. „Ich sehe ihn ja beim Dinner.“
Während sie den Raum verließ, fragte sie sich, wann sie endlich die Kraft finden würde, von hier wegzugehen.
Sie musste gehen. Sie hatte schon eine viel zu tiefe Bindung zu Kristian entwickelt. Unwillkürlich fasste sie sich an denHals, als der Schmerz sie durchzuckte. Der Gedanke, ihn zu verlassen, war unerträglich.
Du darfst nicht an dich denken, ermahnte sie sich, nur an ihn. Denke an seine Bedürfnisse und wie erstaunlich es ist, was er schon erreicht hat. Nicht mehr lange, und er wird wieder völlig unabhängig leben und das tun können, was er will.
Die Vorstellung tröstete sie ein wenig. Er war ein außergewöhnlicher Mann. Niemand würde auf den ersten Blick erkennen, dass er blind war, wenn er einen Raum betrat. In den letzten beiden Wochen hatte er eine enorme Wandlung durchgemacht, er fühlte sich immer wohler in seiner Haut. Und je mehr er mit sich ins Reine kam, desto überwältigender wurde seine Präsenz.
Natürlich hatte sie gewusst, dass er groß war. Doch diese Größe wurde ihr erst richtig bewusst, als er
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