Herz aus Eis
im letzten Moment beschloss sie, sich Zöpfe zu flechten und diese zu einer eleganten Frisur aufzustecken. Noch ein paar feine Strähnen herausgezogen, die ihr Gesicht umrahmten, und fertig war sie.
Elizabeth warf sich den schwarzen Seidenschal über die Schulter, nahm ihre schmale Abendtasche und machte sich auf den Weg zur Bibliothek. Während sie durch den langen Korridor des Klosters ging, hörte sie in der Ferne ein dumpfesDröhnen, das stetig näher kam, bis es schließlich direkt über dem Haus stand und dann erstarb.
Als Elizabeth in der Bibliothek ankam, wartete Kristian bereits auf sie. Auch er hatte geduscht und trug eine schwarze Hose, dazu ein makellos weißes Hemd. Frisch rasiert und mit dem zurückgekämmten Haar, meinte Elizabeth, noch nie einen so energiegeladenen, starken und gut aussehenden Mann gesehen zu haben.
„Bin ich zu lässig angezogen?“, fragte er und hob die Hände, als wolle er ihre Zustimmung einholen.
„Nein.“ Ihr Herz machte einen Sprung. Er sah faszinierend aus! Wusste er überhaupt, wie überwältigend er war?
Jetzt kam er auf sie zu, den Blindenstock zusammengeschoben unter dem Arm. „Was haben Sie an? Zu den Schuhen mit den hohen Absätzen, meine ich.“
„Hören Sie das an meinem Schritt?“
„Ja. Und es klingt sehr sexy.“
Ihr schoss das Blut in die Wangen. Sie war froh, dass er jetzt nicht sehen konnte, wie sie ihn anschaute. Sie konnte nicht sagen, was ihr am meisten an seinem Gesicht gefiel. Es passte alles so perfekt zusammen, die stolze Nase, die dunklen Augenbrauen, die hohen Wangenknochen, die sinnlichen Lippen.
„Ich trage ein Kleid.“ Plötzlich wurde sie schüchtern. Sie war noch nie in der Gesellschaft von Männern verlegen gewesen, hatte sich nicht einmal von ihrem griechischen Ehemann einschüchtern lassen. „Es ist aus schwarzem Samt, mit Spitze am Ausschnitt. Ähnlich dem Stil der Zwanzigerjahre.“
„Ich bin mir sicher, Sie sehen bezaubernd aus.“
Das Kompliment, so ernst gemeint, trieb ihr erneut die Röte ins Gesicht. Kristian beeindruckte sie mehr als alle Männer, die sie je getroffen hatte. Das hatte nichts mit seinem Geld oder seinen Fähigkeiten als Finanztycoon zu tun, auch wenn sie wusste, dass er das Familienvermögen innerhalb kürzester Zeit verdreifacht hatte. Nein, es waren die kleinen Dinge an ihm, die sie faszinierten. Die Art, wie seine Stimmeseine Stimmung ausdrückte, wie aufmerksam er zuhörte, wie einfühlsam er war.
„Lange nicht so überwältigend wie Sie“, erwiderte sie.
Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Fertig?“
„Ja.“
Er reichte ihr den Arm, und sie hakte sich bei ihm ein. Er war so viel größer als sie, durch sein Hemd spürte sie die starken Muskeln warm an ihrer Haut. Seite an Seite gingen sie in die Halle, wo Pano stand, um ihnen die Tür aufzuhalten.
An der Tür blieb Kristian noch einmal kurz stehen. „Unsere Kutsche wartet.“
Dann traten sie beide über die Schwelle nach draußen in den Hof – wo ein weißer Hubschrauber für sie bereitstand.
8. KAPITEL
Ein Hubschrauber. Auf dem Gipfel des Berges.
Elizabeth blinzelte, schüttelte leicht den Kopf und sah noch einmal genauer hin. Vielleicht bildete sie sich das ja nur ein. Aber nein, der Helikopter stand noch immer dort, die letzten Strahlen der untergehenden Sonne brachen sich in dem schimmernden Lack.
„Ich habe mich schon gefragt, wie Sie den Berg hinauf- und hinunterkommen. Ich hielt Sie eigentlich nicht für den Typ, der auf einem Esel reitet.“
Kristians tiefes Lachen wärmte sie durch und durch. „Wahrscheinlich hätte ich Ihnen bei Ihrer Ankunft den Helikopter schicken sollen.“
„Nein, dann wäre mir ja diese einzigartige Erfahrung entgangen, für Stunden auf dem Eselskarren durchgerüttelt zu werden.“
Ihre Bemerkung entlockte ihm ein weiteres Lachen. „Sind Sie schon einmal mit einem Hubschrauber geflogen?“
„Ja.“ Ihren Eltern stand in New York ein Helikopter zur Verfügung. Aber das gehörte zu einem Leben, das sie hinter sich gelassen hatte. „Es ist allerdings schon etwas her.“
Der Pilot bedeutete ihnen, dass sie einsteigen konnten. Elizabeth führte Kristian zur Einstiegsluke. An Bord befestigte er ohne Mühe den Gurt. Erst als sie schon abgehoben hatten und über den Bergen dahinschwebten, fiel Elizabeth wieder ein, dass Kristians Verletzungen nicht von dem Lawinenunglück stammten, sondern von einem Hubschrauberabsturz.
Sie sah zu ihm hinüber. Wie er sich wohl fühlte? Er war vielleicht
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