Herz aus Eis
wegzugehen, ihn zurückzulassen, würde ihr unendlich wehtun, aber hierzubleiben und zuzusehen, wie er eine andere Frau heiratete, würde ihr das Herz brechen. „Ich mag Sie, Kristian, ich mag Sie wirklich sehr“, flüsterte sie.
„Und ich mag Sie sehr.“
„Das lässt sich nicht vergleichen.“
„Ich verstehe nicht. Ich kann nur sagen, was ich denke. Und ich denke, Sie gehören hierher. Zu mir.“
Das waren die Worte, die sie hören wollte, doch für ihn hatten diese Worte einen anderen Sinn. Er wollte sie bei sich wissen, weil sie ihm helfen sollte, weil sie ihn unterstützte und forderte. Das, was er mit diesen Worten beschrieb, war keine Liebe, sondern er redete von dem Nutzen, den ihre Gegenwart für ihn und seine Genesung hatte.
„Elizabeth, latrea mou “, er senkte die Stimme, „ich brauche Sie.“
Latrea mou . Liebling. Angebetete.
Seine Stimme und seine Worte drangen bis in ihr Herz. Erneut traten ihr Tränen in die Augen, die sie hastig mit der Serviette wegtupfte. „Kein Wunder, dass auf jedem Kontinent Frauen auf Sie warten“, sagte sie heiser. „Sie wissen genau, was eine Frau hören will.“
„Sie wechseln das Thema.“
„Ich stelle nur etwas fest.“
„Sie irren sich.“
„Cosima sagte …“
„Es hat keinen Zweck, nicht wahr? Lassen Sie uns einfach gehen.“ Abrupt erhob er sich, und sofort eilte der Restaurantbesitzer an den Tisch. „Ich muss mich entschuldigen“, sagte Kristian steif zu dem älteren Mann. „Aber wir müssen gehen.“
„ Kyrios , alles ist bereit, um serviert zu werden.“ Der Alte schaute unsicher von einem zum anderen. „Wollen Sie es sich nicht noch einmal überlegen?“
„Nein, tut mir wirklich leid.“ Kristian zückte seine Brieftasche und holte ein paar Banknoten hervor. „Sagen Sie bitte dem Fahrer Bescheid.“
„Dann werde ich alles einpacken lassen“, meinte der Besitzer diensteifrig. „Vielleicht haben Sie später ja doch Hunger.“
„Danke.“
Keine fünf Minuten später saßen sie im Auto. Ein kräftiger Wind schlug dicke Regentropfen gegen die Fenster. Kristian hielt das Gesicht starr geradeaus gerichtet, während Elizabeth aus dem Seitenfenster starrte, die Fäuste im Schoß geballt. Erkennen konnte sie nichts, dazu war es zu dunkel.
Was war in dem Restaurant nur schiefgegangen? Im einen Moment war die Atmosphäre noch heiter und entspannt gewesen, und dann, kaum dass sie sich gesetzt hatten …
Ja, was war dann passiert? War Cosima der Grund? Oder die bevorstehende Abreise? Was auch immer, der Abend war eine einzige Katastrophe. Und dabei hatte sie sich so auf dieses Dinner gefreut.
Elizabeth musste es wissen. Also fragte sie und brach damit das lastende Schweigen. Doch Kristian antwortete nicht. Er saß einfach nur da, steif und regungslos, so als sei er in einer ganz anderen Welt. Aber er musste reden, musste mit anderen kommunizieren.
„Kristian, Sie benehmen sich schrecklich. Bitte“, flehte sie, „seien Sie nicht so.“
Sie sah, wie seine Wangenmuskeln arbeiteten. Er blinzelte, doch das war alles, was an Reaktion von ihm kam. In diesem Moment hasste sie ihn für das, was er ihr antat.
Er schloss sie aus, ignorierte sie. Das war die schlimmste Strafe, die sie sich vorstellen konnte.
„Das Wetter ist ein Problem“, sagte er schließlich. „In diesem Gewitter können wir nicht fliegen. Das heißt, wir können nicht nach Taygetos zurückkehren. Wir werden in Chora übernachten, der Hauptstadt der Insel.“
Die Limousine fuhr bereits in eine kleine Hafenstadt ein. Wenn das die Hauptstadt war, so war sie nicht sehr groß. Auf der einen Seite lag das Meer, die andere Straßenseite war gesäumt mit Häusern und Geschäften. In einiger Entfernung waren die Umrisse einer riesigen alten Burg zu erkennen, die über die Stadt ragte.
Während die Scheibenwischer einen aussichtslosen Kampf mit dem Regen führten, schaute Elizabeth zu der alten Burg. Sie stand auf einem Felsen hoch über der Stadt. Bei Tageslicht musste man von dort aus einen fantastischen Ausblick haben, doch jetzt lag das Gemäuer im Regen dunkel da, wie auch das Städtchen selbst.
„Wir bleiben in einem Hotel?“, fragte sie und sah an dem alten Kirchturm hoch, an dem sie jetzt vorbeifuhren.
„Kein Hotel. Es ist eine private Unterkunft.“
„Bei Freunden?“ Sie war immer noch verletzt.
„Nein, das Haus gehört mir. Es ist mein Zuhause.“ Unruhig setzte er sich um. Sie waren inzwischen so nahe bei der Burg, dass Elizabeth die Quadersteine
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