Herz aus Eis
vor Hunger.“
Elizabeth sammelte ihre verstreuten Sachen ein und reichte Kristian Hemd und Hose, bevor sie in ihr Samtkleid schlüpfte und sich das wirre Haar mit den Fingern zu richten versuchte.
„Ich komme mir vor wie in den wilden Teenagerzeiten“, meinte sie lachend. Und dann traf es sie jäh wie ein Schlag. Cosima!
„Mein Gott“, flüsterte sie entsetzt. Ihr war plötzlich eiskalt. Was hatte sie nur getan!?
„Elizabeth?“
Sie presste die Hand auf ihren Mund und starrte ihn mit großen Augen an. Entsetzt, schockiert, fassungslos. Er durfte nicht ihr gehören. Er gehörte einer anderen Frau …
„Elizabeth, bist du noch da?“, seine Stimme klang verärgert, während er sich das Hemd zuknöpfte. „Rede mit mir.“
Natürlich, er konnte nicht sehen. Konnte das Entsetzen auf ihrer Miene nicht einmal erraten. „Kristian, was haben wir getan?“ Was hatte sie getan?
Er hielt inne, der letzte Hemdsknopf war vergessen. Verwirrung machte sich auf seinen Zügen breit. „Du … du bereust es schon?“
Bereuen? Fast hätte sie aufgeschluchzt.
„Wartet da jemand in London auf dich?“ Sein Gesicht wurde regungslos und hart. Diese bedrohliche Ruhe kannte sie an ihm. Er setzte sie ein, um die Welt auf Abstand zu halten.
„Nein.“
Selbst ohne sein Augenlicht wusste er genau, wo sie stand. Mit wenigen Schritten war er bei ihr und fasste sie bei den Schultern. Sie versteifte sich unwillkürlich, wappnete sich gegen seinen Ärger. Doch er zog sie an sich und küsste ihre Wange, dann ihr Ohr. „Was ist denn, latrea mou? Was bedrückt dich?“
Sie spreizte die Finger an seiner Brust. „Soviel mir an dir liegt, Kristian, ich kann das nicht tun. Es ist unrecht. Es war ein schrecklicher Fehler.“
Er ließ die Arme sinken und trat von ihr zurück. „Warum? Weil ich blind bin und du nur Mitleid für mich empfindest?“
„Nein.“
„Aber irgendetwas stimmt doch nicht. Im einen Moment schmiegst du dich leidenschaftlich in meine Arme, und im nächsten behauptest du, es war ein schrecklicher Fehler.“ Er holte schwer Luft. „Ich glaube, ich kenne dich überhaupt nicht“, setzte er bitter hinzu.
Tränen füllten ihre Augen, als sie sah, wie er noch einen Schritt weiter von ihr wich. „Kristian“, flüsterte sie, „so ist es nicht. Ich liebe es, mit dir zusammen zu sein, ich will mit dir zusammen sein …“
„Also was ist es dann? Ist es etwa wieder wegen Cosima? Diese Frau verfolgt mich bis in mein Schlafzimmer!“, stieß er wütend aus. „Was soll das? Mir reicht’s! Was hast du mit Cosima? Ist es wegen des Vertrags? Weil sie dich bezahlt? Nenne mir die Summe, und ich begleiche sie sofort!“
„Es geht nicht um Geld. Es geht um dich … um dich und sie.“
Er lachte harsch auf. „Ich und Cosima? Cosima – das Sinnbild all meiner Qualen?“
„Ihr seid gar kein Paar?“
„Ein Paar? Hast du den Verstand verloren, latrea mou? Cosima ist der Grund, warum ich mich dem Leben nicht mehr stellen wollte. Warum sollte ich mit einer Frau zusammen sein wollen, die zu meinem Bruder gehörte?“
Ihr Mund war plötzlich staubtrocken. „Deinem Bruder?“
Kristian wurde bleich. „Sie war mit Andreas verlobt. Er ist tot, weil ich ihr zuerst zu Hilfe kam. Ich wollte sie für ihn retten.“
Natürlich. Elizabeth schüttelte nun fassungslos den Kopf. Cosima hatte nie direkt gesagt, dass sie Kristian liebte. Sie hatte gesagt, ihr liege viel an ihm, dass sie ihn wieder in Athen sehen wolle. Dass sie hoffe …
Cosima hoffte. Mehr nicht.
„Also was ist nun? Musst du am Montag immer noch nach Paris? Oder war das ein Vorwand?“, fragte er gepresst.
„Ich muss noch immer nach Paris“, antwortete sie kaum hörbar.
„Und empfindest du jetzt noch immer Reue?“
„Kristian …“
„Ja, das tust du, nicht wahr?“
„Kristian, so einfach ist das nicht. Es ist nicht nur schwarz und weiß.“
„Sondern?“ Dieses einzelne Wort klang scharf wie ein Dolch.
„Ich …“ Sie schloss die Lider. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie verheiratet gewesen war? Mit wem sie verheiratet gewesenwar. Wie sie sich eine neue Identität, ein neues Leben geschaffen hatte, um der schrecklichen Erinnerung zu entfliehen. Grace Elizabeth Stiles war schön, reich und privilegiert gewesen, aber auch naiv, unfrei und verletzlich.
„Ja?“, hakte er nach. So leicht würde er sie nicht davonkommen lassen.
„Ich kann nicht in Griechenland bleiben. Ich kann einfach nicht.“
„Nur weil du eine flüchtige
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