Herz aus Eis
führen.
Freilich war die Leitung von Kanes Haushalt schon eher vergleichbar mit dem Kommando einer Armee in Kriegszeiten; doch man hatte sie ja für ihren Posten als Oberkommandierende jahrelang vorbereitet.
Als erstes schrieb sie einen Brief an Jean Taggert mit der Bitte, sie ein paar Tage lang bei ihren Pflichten in der Haushaltsführung zu unterstützen. Dann schrieb Houston einen Brief an Jeans Vater, in dem sie ihm mitteilte, daß sie vorhabe, Jean zu bitten, in ihrem Haus zu bleiben und den Posten der Haushälterin zu übernehmen. Houston setzte ihre Hoffnung darauf, daß Sherwin Taggert sich für seine Tochter ein besseres Heim wünschte als das Bergwerkslager.
Als Houston dem neuen Lakaien die Briefe gab, damit er sie den Adressaten zustellen sollte, bekam sie eine erste Kostprobe davon, was die Dienerschaft an diesem Haus so schrecklich störte. Der Lakai schien es unter seiner Würde zu halten, den Fuß in ein Bergwerkslager zu setzen, und als Amerikaner hielt er natürlich mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.
Houston fragte ihn sehr gelassen, ob er seinen Job behalten wolle oder nicht, und wenn ja, habe er zu tun, was man ihm anschaffte, und nicht die Verwandtschaft des Mannes zu bekritteln, der für seinen Lebensunterhalt sorgte. Nachdem das geklärt war und der Lakai sich mit den Briefen auf den Weg gemacht hatte, ging Houston in das Erdgeschoß und setzte den anderen Leuten, die sie angeheuert hatte, deren Pflichten auseinander. Die meisten davon saßen nämlich auf den kahlen Fußböden und weigerten sich, auch nur einen Handschlag zu tun, solange man ihnen nicht genau ihre Arbeitsgebiete erklärt und abgesteckt hatte. Houston begriff sofort, warum Miss Jones ihren Schülerinnen dringend empfohlen hatte, nur erfahrenes Personal einzustellen.
Am Morgen des zweiten Tages hatte Houston sieben Dienstmädchen auf die Flügel des Hauses verteilt, wo sie die Zimmer saubermachten, vier Lakaien oben im Speicher, wo sie den Rest der Möbel entfernten, und drei Mädchen in der Küche, wo sie Mrs. Murchison am Herd assistierten. Außerhalb des Hauses arbeiteten ein Kutscher in der Remise, zwei Burschen im Stall und vier kräftige Jungen im Garten.
Es geschah im Verlauf ihres Besuchs im Garten, wo Houston sich Mr. und Mrs. Nakazona vorstellte und den beiden, da keiner des anderen Sprache verstand, nach bestem Vermögen begreiflich zu machen versuchte, daß die vier jungen Leute den Anweisungen des japanischen Gärtnerpaares Folge zu leisten hatten — in diesem Augenblick also geschah es, daß Houston Ians Gesicht hinter einem Fenster im ersten Stock entdeckte.
Susan hatte Houston im Morgen, als sie ihr beim Anziehen half, von dem schrecklichen Streit erzählt, den Rafe Taggert anzettelte, nachdem die Hochzeitsgäste das Haus wieder verlassen hatten. Susan hatte zufällig einen Teil davon mitbekommen. Der junge Ian hatte sich damit gebrüstet, daß er seinen Vetter Kane haßte und niemals in dessen Haus wohnen würde. Und Rafe hatte gesagt, das wäre eine leere Prahlerei, da niemand Ian gebeten habe, in Kanes Haus zu wohnen. Worauf sich Ian entrüstete, Houston habe ihn darum gebeten; doch er würde lieber sterben, als dieses Angebot annehmen.
Es war an diesem Punkt, daß die beiden Taggerts aneinander gerieten, und da Rafe viel größer und stärker war, hatte er bei dieser Keilerei natürlich gewonnen. Rafe hatte gesagt, Ian habe bei seinem Vetter zu bleiben und alle Vorteile zu genießen, die man sich mit Geld erkaufen könne, selbst wenn er, Rafe, Ian jeden Tag bis zum Ende seines Lebens verprügeln müsse. Und dann drohte er noch damit, daß er Ian überall finden würde, wenn er versuchte, wegzulaufen.
Also hatte sich Ian seit dem Tag der Hochzeit in dem Zimmer eingeschlossen, wo Houston ihn zuletzt einquartiert hatte. Mrs. Murchison war die einzige gewesen, die ihn bisher zu Gesicht bekommen hatte, da sie ihm täglich auf einem Tablett das Essen und Bücher bringen mußte.
»Bücher?« hatte Houston gefragt.
»Der Junge scheint sie zu verschlingen«, sagte Susan. »Mrs. Murchison sagt, er würde den ganzen Tag nur lesen, und das bekäme auf die Dauer seinen Augen nicht. Sie meint, er sollte sich einer Baseballmannschaft anschließen, damit er ein bißchen an die frische Luft käme.«
Nun, da Houston die meisten Leute, die zum Haus gehörten, unter Kontrolle hatte, wandten sich ihre Gedanken Ian zu. Wenn der Junge bei ihnen wohnen sollte, mußte er auch in die Familie integriert werden.
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