Herz aus Eis
von Leuten hätte nervöser sein können als dieser Haushalt. Houston hatte Angst, daß eines der Mädchen beim Servieren der Suppe Fentons Hose vollkleckern könnte — für Kane vermutlich ein Anlaß, das Mädchen auf der Stelle zu ermorden.
Aber die eigentliche Ursache für das Zittern ihrer Hände war Kanes Versprechen, ihr zu verraten, was zu der Feindschaft zwischen den beiden Männern geführt hatte. Es war, dünkte sie, schon immer ihr sehnlichster Wunsch gewesen, das zu erfahren; doch nun hätte sie Kane am liebsten gesagt, daß sie es nicht mehr wissen wollte.
Zu ihrer Unruhe hatte ein Telefongespräch beigesteuert, das sie tags zuvor mit Pamela Fenton führte. Pam hatte Houston gebeten, das Dinner abzusagen, weil sie ein ungutes Gefühl habe. Ihr Vater habe ein schwaches Herz, hatte Pam gesagt, und sie fürchtete, daß man sich bei Tisch ereifern könne. Sie hatte Angst vor Kanes aufbrausendem Wesen.
Houston hatte versucht, mit Kane darüber zu reden; doch er hatte nur gesagt, sie verstünde ihn nicht. Sie hatte geantwortet, daß sie gern versuchen würde, ihn zu verstehen, wenn sie wüßte, worum es eigentlich ginge.
Und da hatte er zu ihr gesagt, daß er ihr noch vor dem Dinner alles erklären wollte.
Und nun saß sie vor dem Spiegel, betrachtete sich und merkte, daß sie am ganzen Körper zitterte.
Sie holte geräuschvoll Luft, als sie Kane plötzlich hinter sich stehen sah.
»Dreh dich wieder um«, sagte er. »Ich habe etwas für dich.«
Also wandte sie sich wieder dem Spiegel zu, und im selben Moment legte ihr Kane ein Kollier aus Brillanten um den Hals. Es war so hoch wie ein steifer Kragen, und die Ketten, die unten ein bogenförmiges Gehänge bildeten, reichten ihr bis unter die Schlüsselbeine hinunter. Dazu gehörten noch zwei Ohrringe mit Doppelschnüren aus Brillanten.
Er trat einen Schritt zurück, um sie zu betrachten. »Gut«, sagte er, nahm sie bei der Hand und führte sie hinüber in sein Schlafzimmer.
Ohne ein Wort zu sagen, sich sehr der kühlen Edelsteine bewußt, die ihren Hals beengten, setzte sie sich vor einen eingelegten runden Tisch in einen blauen Brokatsessel.
Kane ging zur Wand, berührte dort eine Leiste und legte einen kleinen Hebel frei. Dann klapperte er ein Stück der Täfelung zur Seite, und ein eingebauter Safe kam zum Vorschein.
»Nur sehr wenige Menschen auf dieser Welt kennen die ganze Geschichte, die ich dir nun erzählen werde. Einige kennen sie teilweise und haben sich den Rest hinzugedichtet. Nur stimmten ihre Vermutungen nicht. Ich habe viele Jahre suchen müssen, bis ich alle Stücke beisammen hatte und die volle Wahrheit erfuhr.«
Er nahm eine Ledertasche aus dem Wandsafe, öffnete sie, holte eine kleine Photographie heraus und reichte sie Houston. »Das ist meine Mutter.«
»Charity Fenton«, flüsterte sie, die hübsche Frau auf dem Foto betrachtend — eine noch sehr junge Frau mit dunklen Augen und Haaren. Sie blickte hoch und sah das Staunen auf seinem Gesicht.
»Edan hat mir erzählt, wer deine Mutter war.«
»Er hat dir alles erzählt, was er weiß.« Er gab ihr nun eine Photographie von vier jungen Männern, die nervös aussahen und etwas deplaciert vor einer exotischen Photoatelier Kulisse posierten. Zwei davon sahen Kane sehr ähnlich. »Das sind die vier Taggert-Brüder. Der jüngste davon ist Lyle, Ians Vater; daneben steht Rafe, der zweitjüngste; dann kommt Sherwin und schließlich mein Vater, Frank, der älteste der vier Brüder.«
»Du siehst aus wie dein Vater«, sagte sie.
Kane gab ihr keine Antwort und kippte nun die Ledertasche über dem runden Tisch aus. »Das sind Originale oder beglaubigte Kopien von Dokumenten, die sich auf meine Eltern oder meine eigene Geburt beziehen.«
Sie warf einen flüchtigen Blick auf diese Papiere und zuckte nur kurz mit den Lidern, als sie der Kopie eines Familienstammbaumes ansichtig wurde, nach dem ein gewisser Nathaniel Taggert eine zwölf Jahre alte französische Gräfin geheiratet hatte. Doch bald sah sie wieder zu Kane hinauf und wartete, daß er ihr die Geschichte erzählte, die sich auf diese Papiere bezogen, und ihr die Erklärung lieferte für die vielen Jahre seines Hasses auf die Familie seiner Mutter.
Er ging ans Fenster und starrte in den Garten hinunter. »Ich glaube nicht, daß du etwas über Horace Fenton weißt, da er lange vor deiner Geburt gestorben ist. Horace Fenton war Jacobs Vater. Oder jedenfalls glaubte Jacob, daß Horace sein Vater wäre. Tatsächlich hatte Horace
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