Herz aus Feuer
weiß ganz genau, daß mein Sohn seine alte Chaise nicht einen Moment aus den Augen läßt. Also dachte ich mir, daß du eine eigene Kutsche brauchst. Gefällt sie dir?«
Blair trat einen Moment von dem Gefährt zurück und betrachtete es. Es war, als hätte sie nur noch so ein Fuhrwerk gebraucht als endgültige Bestätigung, daß sie wirklich eine Ärztin sei. »Ja«, rief sie, »oh, ja!« Und im nächsten Moment rannte sie zu Reed, umarmte ihn, gab ihm einen Kuß auf die Wange, und ehe er rot werden konnte vor Verlegenheit, kletterte sie schon auf den Kutschbock und betrachtete jede Ecke und jeden Winkel. Sie öffnete den Kutschkasten am Heck. »Er ist nicht annähernd so groß wie deiner, Lee. Vielleicht kann ich ihn vergrößern lassen. Ich bin sicher, daß ich immer eine Menge Sachen mit mir herumschleppen muß.«
»Gewehre, zum Beispiel? Wenn du glaubst, ich ließe dich mit diesem Vehikel allein durch die Umgebung kutschieren, hast du dich aber geschnitten. Dad, ich wünschte, du hättest mir vorher etwas davon gesagt! Wenn du ihr so viel Bewegungsfreiheit verschaffst, ist das so, als würdest du einem selbstzerstörerischen Taifun den Weg freimachen! Sie wird so lange hinter irgendwelchen Fällen herjagen, bis sie wieder in eine Klemme gerät und darin umkommt.«
»Aber du bist da ja so viel vorsichtiger«, sagte sie und blickte vom Kutschbock hochmütig auf ihn herab. »Du läufst mit offenen Augen in einen Weidekrieg hinein; während ich in meiner Arglosigkeit nicht ahnte, was mich dort erwartete.«
»Das ist um so schlimmer«, sagte Lee, »weil nur jemand zu dir sagen muß, er brauche deine Hilfe, und schon folgst du ihm blind überallhin. Du hast überhaupt keinen Sinn für die eigene Gefahr. Überleg doch mal, wie du dich dieser Bande, die dich entführen wollte, freiwillig ausgeliefert hast. Du bist einfach zu dem Mann, der dich mitnehmen wollte, aufs Pferd gesprungen und hast ihn nicht einmal gefragt, wohin er dich bringen wollte.«
»Moment mal«, sagte Reed mit einem Lachen in der Stimme. »Ich glaube, daran habe ich überhaupt nicht gedacht, als ich Blair die Kutsche schenken wollte. Vielleicht habe ich von dir gelernt, Lee, weil ich dich nie von etwas abbringen konnte, was du dir in den Kopf gesetzt hattest. Vielleicht ist Blair dir in dieser Hinsicht sehr ähnlich.« '
»Aber sie überlegt sich nie das Risiko, das sie dabei eingeht«, erwiderte Lee im mürrischen Ton.
»Du tust das natürlich immer«, sagte Reed und sah seinen Sohn dabei durchbohrend an.
Blair, die die beiden beobachtete, war von neuem überzeugt, daß Lees geheime Missionen ein gefährliches Unternehmen waren — wenngleich etwas, das letztendlich anderen Menschen zugute kam.
Reed blickte zu dem Braunen hin, der vor die Kutsche gespannt war. »Ich habe für dich einen Appaloosa von der gleichen Farbe bestellt, wie Lee ihn hat; doch leider ist das Pferd noch nicht in Chandler eingetroffen. Ich dachte, es würde dir gefallen, wenn die Leute dich auch schon von weitem erkennen können wie Lee.«
»Die Leute werden sie ganz bestimmt erkennen, weil ich nämlich neben ihr sitzen werde«, sagte Lee im energischen Ton.
Blair sagte nichts, blickte ihn nur mit hochgezogenen Brauen lächelnd an, wobei sie sich vorstellte, wie er zu ihr auf den Kutschbock sprang und was er dort alles mit ihr anstellen mochte — nein, daran durfte sie jetzt nicht denken.
Reed lachte laut und schlug seinem Sohn heftig auf die Schulter. »Ich hoffe, sie liefert dir ein genauso hartes Rennen, wie du es deiner Mutter und mir geliefert hast. Vielleicht wirst du dann wenigstens teilweise ermessen können, was wir deinetwegen alles ausgestanden haben.«
Er streckte Blair die Hand hin, um ihr wieder vom Bock herunterzuhelfen. »Habe ich dir schon einmal davon erzählt, wie Lee das Rattengift auf dem Speicher gegen Brotkrumen vertauschte? Binnen einer Woche waren alle Ratten aus der Heimatstadt seiner Mutter in unserem Haus versammelt, ehe wir herausfanden, weshalb sie sich so unglaublich wohl bei uns fühlten.«
»Nein, das wußte ich noch nicht«, sagte Blair und blickte dabei auf Leanders Rücken, während sie wieder in die Klinik hineingingen. »Und von solchen Sachen würde ich zu gern noch mehr hören.«
Kapitel 28
Blair und Leander waren erst ein paar Wochen miteinander verheiratet, als die Westfield-Klinik offiziell eröffnet wurde. Natürlich hatte Blair noch nicht ihre praktische Ausbildung als Assistenzärztin abgeschlossen; doch für Lee
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