Herz aus Feuer
würdest mit ihr reden. Sie ist schon den ganzen Tag so. Ich glaube, sie hat aus irgendeinem Grund geweint. Ich dachte, du wüßtest vielleicht die Ursache. Mir gibt sie keine Antwort, wenn ich sie danach frage.«
»Ich müßte sie mal untersuchen«, murmelte Lee, während er ihr in die Kutsche half; aber seine Hände schienen sich nicht mehr von ihr lösen zu können, sobald er sie berührte.
»Lee! Die Leute schauen uns zu.«
»Ja, natürlich«, sagte er grinsend. »Aber dem werden wir bald abhelfen.«
Er traute sich auf dem Weg aus der Stadt nicht viel zu sagen, warf nur hin und wieder einen Blick auf Houston und sah, daß sie wieder am äußersten Rand der Sitzbank saß, seine Nähe meidend, wie sie es immer getan hatte bis gestern abend. Und dann lächelte er still in sich hinein bei dem Gedanken, daß diese sich so kühl gebärdende junge Dame dieselbe war, die ihn heute nacht unwiderstehlich fand.
Er hatte kaum geschlafen in der letzten Nacht, hatte die meiste Zeit wach auf dem Rücken gelegen und noch einmal in der Erinnerung jede Sekunde ausgekostet, die er mit Houston verbracht hatte. Es war nicht so sehr der Sex gewesen — den hatte er auch mit anderen Frauen gehabt, ohne sich in diese zu verlieben —, sondern etwas in ihrem Verhalten, in ihrer Einstellung, daß er sich so wunderbar fühlte, so stark, als könne ihm alles gelingen, was er sich vornahm.
Er fuhr zu einem geheimen Ort, den er entdeckt hatte, als er zu einem Goldgräber gerufen wurde, um dessen gebrochenes Bein einzurichten, und unterwegs von einem Gewitter überrascht wurde. Es war ein Platz abseits der Straße, mit mächtigen Bäumen und hohen Felsen, aus denen ein Quell sprang — beschaulich und zugleich gegen neugierige Blicke geschützt. Es war das erstemal, daß er jemanden hierherbrachte.
Er hielt die Kutsche an, sprang auf den Boden hinunter, band das Pferd fest, hob Houston die Arme entgegen, und statt ihr herunterzuhelfen, drückte er sie an sich, daß sie an seinem Körper entlangrutschte. Und als sie endlich mit den Füßen auf dem Boden stand, umarmte er sie so heftig, daß sie keine Luft mehr bekam.
»Ich habe heute nacht kaum geschlafen, sondern immer nur an dich gedacht«, flüsterte er. »Der Duft deines Haars war noch in meinen Kleidern, der Geschmack deiner Lippen auf meinem Mund. Ich konnte . . .«
Houston schob ihn von sich: »Was soll das!«
Er streichelte mit dem Rücken seiner Finger ihre Haare an den Schläfen. »Du wirst mir doch nicht wieder zu einem spröden Mädchen werden und in deine alten Gewohnheiten verfallen? Du hast mir bewiesen, daß du ganz anders sein kannst, Houston. Weshalb also die Eisprinzessin spielen, wenn ich weiß, wie du wirklich bist? Und ich kann dir versichern, daß du mich noch glücklicher machst, wenn ich diese kühle Frau nie wiedersehe. Also komm zu mir und küsse mich wie gestern nacht.«
Aber statt ihn zu küssen, löste sie sich ganz von ihm und sagte: »Soll das heißen, daß ich gestern abend nicht so war wie sonst? Daß ich . . . besser war?«
Lächelnd legte er die Arme auf die Schultern. »Das weißt du doch. So wie gestern abend habe ich dich noch nie erlebt. Ich hätte nie geglaubt, daß du so sein könntest. Heute wirst du darüber lachen; aber ich begann ernsthaft daran zu zweifeln, daß du zu einer echten Leidenschaft fähig wärest. Ich glaubte, unter deinem kühlen Äußeren verbärge sich ein Herz aus Eis. Aber wenn du schon eine Schwester hast wie Blair, die bei der leisesten Herausforderung Feuer sprüht, muß ja etwas von ihrem Temperament auf dich abgefärbt haben.«
Er nahm ihr Handgelenk und zog sie an sich heran. Er ließ sich nicht dadurch beirren, daß sie versuchte, ihr Gesicht zur Seite zu drehen, und drückte seinen Mund auf den ihren.
Doch ihre Lippen blieben kalt und fest geschlossen.
Anfangs amüsierte es ihn noch, daß sie ihm unbedingt beweisen wollte, wie gut sie sich beherrschen konnte; aber als der Kuß andauerte und keine Reaktion von ihr kam, gab er ihren Mund wieder frei und sagte wütend:
»Du treibst das Spiel zu weit! Du kannst nicht erst vor Leidenschaft brennen und im nächsten Moment wieder frigid sein. Was bist du — zwei Menschen in einer Person?«
Etwas in Houstons Augen machte ihn stutzig. Aber das war natürlich ein absurder Gedanke. Er trat einen Schritt zurück.
»Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, nicht wahr? Sag mir, daß ich mich irre. Daß es nicht zwei verschiedene Wesen in einer Gestalt gibt.«
Sie sah ihn
Weitere Kostenlose Bücher