Herz aus Feuer
nimmt ihn nur, weil sie Leander verloren hat und der Stadt beweisen will, daß sie auch einen anderen bekommt. Er soll furchtbar reich sein. Ich fände es schlimm, wenn sie diesen Mann seines Geldes wegen heiratet.«
Blair setzte sich neben ihre Mutter auf die Bank. »Das ist alles meine Schuld.«
Opal tätschelte ihr das Knie. »Du hast deiner Schwester noch nie etwas abschlagen können. Schau mich nicht so verwundert an, mein Kind: ich kenne meine Töchter besser, als du glaubst. Obwohl Houston so aussieht, als könne sie kein Wässerlein trüben, hat sie dich stets zu den waghalsigsten Unternehmungen angestiftet. Du hast schon immer ein großes, weiches Herz gehabt, das anderen Menschen helfen wollte, und deshalb bin ich auch davon überzeugt, daß du Großes leisten wirst in deinem Beruf.«
»Falls ich jemals aus Chandler herauskomme und meine praktische Ausbildung beenden kann«, sagte Blair düster.
Opal spielte mit einer Clematisranke neben ihrem Schaukelstuhl. »Ich habe über dich und Lee nachgedacht. Vielleicht kommt es dir im Augenblick nicht so vor: aber ich halte ihn für einen herzensguten Mann. Man täuscht sich leicht in ihm. Er war immer so still an Houstons Seite; doch seit ein paar Tagen ist er so aufgeweckt und munter, wie ich ihn noch nie erlebt habe.«
»Munter, sagst du? Er kommandiert mich herum wie ein Feldwebel; befiehlt mir, ihn zu heiraten, will keine Frau als Partnerin in der Klinik dulden, die er bauen möchte; und überhaupt finde ich diesen Mann unausstehlich!«
»Und in der Nacht von Freitag auf Samstag hast du das nicht gefunden?«
Blair wandte das Gesicht ab, damit ihre Mutter nicht sah, wie heftig sie errötete. »Damals vielleicht noch nicht; aber es war Vollmond, ich hatte getanzt, eine Menge Champagner getrunken — und da ist es eben passiert.«
»Hm«, meinte ihre Mutter, »ich glaube nicht, daß Lee das genauso sieht wie du.«
»Wenn er es anders sieht, ist das sein Problem. Mein Problem ist Houston. Ich bin in diese Stadt zurückgekommen, habe ihr Leben zerstört, und nun sagt sie, daß sie diesen häßlichen Midas, Kane Taggert, heiraten möchte. Wie können wir das verhindern?«
»Mr. Gates und ich werden mit ihr reden, sobald sie nach Hause kommt. Wir wollen versuchen, ihr klarzumachen, daß es bessere Lösungen für ihr Problem gibt, als sich an diesen Mann zu verkaufen.«
Blair blickte an dem rankenden Grün der Veranda vorbei auf die leuchtend weiße Wand der Villa Taggert. »Wie sehr ich dieses Haus hasse«, sagte sie inbrünstig. »Wäre Houstons Verlangen, es zu besichtigen, nicht so groß gewesen, hätten wir nicht die Plätze getauscht, und ich hätte nicht mit Leander geschlafen. Und wenn Houston dieses Haus nicht so gut gefallen hätte, würde sie niemals daran denken, diesen Barbaren zu heiraten.«
»Blair, du solltest den Nachmittag zur Erholung nützen, dir ein Buch vornehmen und die Sorgen um Houston uns überlassen. Übrigens — wo ist Lee? Warum hat er dich nicht nach Hause gebracht?«
Blair erhob sich. »Ich werde mich hinlegen. Ich habe heute nacht kaum ein Auge zugemacht. Und Lee wird vermutlich in Bälde hier erscheinen, um seine Kutsche einzusammeln. Ich möchte ihn unter keinen Umständen sehen.«
Opal zögerte einen Moment, ehe sie zustimmend nickte. »Ich schicke Susan mit einem Tablett zu dir hinauf. Du ruhst dich aus, Liebes; denn wie ich diese Stadt kenne, wird es morgen hektisch werden, sobald sich herumgesprochen hat, daß du Lee heiraten wirst und Houston sich mit diesem Taggert trauen lassen will. . . Oh, ich mag gar nicht daran denken!«
Das wollte auch Blair nicht und zog sich dankbar in das Refugium ihres Zimmers zurück, das sie an diesem Tag nicht mehr verließ.
Der Montag war schlimmer, als Blair sich das hätte träumen lassen. Das Frühstück war ein Alptraum. Gates beschimpfte sie unablässig mit vollem Mund, das Leben ihrer Schwester ruiniert zu haben. Da Blair dazu neigte, ihm recht zu geben, konnte sie ihm schwerlich widersprechen. Opal weinte ununterbrochen, während Houston es fertigbrachte, mit unbeteiligtem Blick dabeizusitzen, als nähme sie ihre Umgebung gar nicht wahr.
Nach dem Frühstück begannen die Leute scharenweise ins Haus zu fallen — mit Gebackenem und fadenscheinigen Ausreden, weshalb sie unangemeldet zu Besuch kamen. Blair hatte schon so lange nicht mehr in einer Kleinstadt gelebt, daß sie entsetzt war über die hemmungslose Neugierde der Bewohner. Offenbar war den Leuten nichts heilig; am
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