Herz aus Feuer
sie war, und sich für sie interessiert; aber als sie erfuhren, daß sie Ärztin werden wollte, hatte sich ihr Interesse rasch abgekühlt. Falls sie sich dennoch nicht von ihrem zukünftigen Beruf abschrecken ließen, fanden sie bald heraus, daß sie sehr klug war, und diese Eigenschaft war für jede Frau tödlich. Sie brauchte einen Mann nur beim Schachspiel zu besiegen oder eine Rechenaufgabe schneller im Kopf zu lösen als er, und sofort wandte sich der Betreffende wieder von ihr ab. Alan war der erste Mann, der sich von ihren Fähigkeiten nicht hatte abschrecken lassen — und daher war Blair nach drei Wochen ihrer Bekanntschaft überzeugt gewesen, daß sie ihn liebte.
Und nun gestand Leander ihr, daß er sie mochte. Und wenn sie daran dachte, was sie ihm in den letzten Tagen alles angetan hatte — ihm seine Kutsche und sein Pferd weggenommen, so daß er zu Fuß in die Stadt zurückkehren mußte —, konnte sie nur staunen, daß er sie überhaupt noch ertragen konnte. Er war entweder ein bemerkenswerter Mann oder ein Masochist.
»Ich weiß, daß du die Stadt in ein paar Tagen verlassen wirst und ich dich vielleicht nie Wiedersehen werde, und deshalb möchte ich dir sagen, was die Nacht, die wir gemeinsam verbrachten, mir bedeutet hat«, sagte er mit einer Stimme, die kaum lauter war als ein Wispern.
»Es war, als könntest du mir nicht widerstehen, wenn ich dich berührte. Das hat meiner Eitelkeit sehr geschmeichelt. Du hast mir meine Eitelkeit vorgehalten; aber ich bin nur eitel, wenn ich mit dir zusammen bin, weil ich mich bei dir so wohl fühle. Und weil ich glaubte, die Frau fürs Leben gefunden zu haben . . . Freundin, Kollegin und eine unvergleichliche Liebhaberin. Und nun habe ich das alles wieder verloren.«
Blair kam ihm bei diesen Worten fast unmerklich immer näher.
Lee drehte das Gesicht von ihr weg. »Ich möchte fair bleiben. Ich möchte dir geben, was du verlangst und was dich glücklich machen wird; aber ich hoffe, du erwartest nicht von mir, daß ich am Bahnhof bin, wenn du mit Alan die Stadt wieder verläßt. Ich werde mich vermutlich am Tag deiner Abreise schrecklich betrinken und meine Probleme einem rothaarigen Barmädchen erzählen.«
Blair setzte sich kerzengerade. »Ist es das, was du magst?« sagte sie steif.
Er blickte überrascht auf sie zurück. »Was soll das sein, was ich mag?«
»Rothaarige Barmädchen?«
»Nun hör mal zu, du kleines, dummes. . .« Sogleich wurde sein Gesicht rot vor Zorn, während er aufstand, ihr die Decke unter dem Podex wegzog und Teller und Bestecke in den Korb zurückwarf. »Nein, ich mag keine rothaarigen Barmädchen. Ich wünschte, es wäre so. Ich war dumm genug, mich in die eigensinnigste, blindeste und hirnvernageltste Frau der Welt zu verlieben. Ich hatte in meinem Leben noch nie Schwierigkeiten mit Frauen gehabt, und seit ich dich kenne, habe ich nur noch Schwierigkeiten.«
Er warf den Pferden die Sättel auf den Rücken. »Es gibt Augenblicke, in denen ich wünschte, ich hätte dich niemals kennengelernt.«
Er drehte sich ihr zu. »Du kannst den Sattelgurt selbst festziehen. Und du wirst auch allein in die Stadt zurückfinden. Das heißt, wenn du nicht so blind bist, daß du den Pfad nicht mehr siehst. Denn offenbar bist du, was Menschen betrifft, total mit Blindheit geschlagen.«
Er stellte den Fuß in den Steigbügel, und dann drehte er sich, von einem Impuls getrieben, noch einmal zu ihr um, nahm sie in die Arme und küßte sie.
Blair hatte vollkommen vergessen, wie es war, wenn sie von Lee geküßt wurde. Sie hätte nicht sagen können, wer sie war; denn sobald dieser Mann sie berührte, war ihr ganzes Bewußtsein von ihm ausgefüllt.
»Du«, sagte er wütend, als er sich von ihr löste und sie ein wenig schütteln mußte, damit sie die Augen wieder öffnete, »ich habe blinde Patienten gehabt, die mehr sahen als du.«
Er ging von ihr weg, wollte sich auf sein Pferd schwingen, murmelte dann: »Oh, zum Teufel«, kam wieder zurück und zog ihren Sattelgurt fest. Er hob sie auf ihr Pferd hinauf und jagte vor ihr her nach Chandler zurück. Als er sein Pferd vor ihrer Haustüre zügelte, sagte er: »Ich erwarte dich morgen früh um acht im Hospital.«
Sie hatte kaum Zeit, zu nicken, als er schon wieder davongaloppierte.
Kapitel 15
Düster war das richtige Wort, um ihre Laune zu beschreiben, als sie wieder durch die Haustür trat. Sie konnte nicht begreifen, warum Leander sich so erzürnt hatte, und verstand ihre Erregung darüber
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