Herz aus Feuer
Gedanken machen mußt, weil ich glaube, daß er mich soeben verlassen hat.«
»Aber was wird aus den Gästen? Er kann doch nicht einfach seine Gäste stehen lassen!«
»Sollte er bleiben und sich anhören, wie die Leute darüber lachen, daß Leander sich bis zuletzt nicht entschließen konnte, welche von den beiden Zwillingen er heiraten sollte? Nicht einer von ihnen scheint zu denken, daß Kane eine Wahl habe bei Frauen. Kane bildet sich ein, ich würde immer noch Lee lieben; du denkst, daß ich Lee liebe; und Mr. Gates denkt, ich würde Kane seines Geldes wegen heiraten. Ich denke, Mutter ist die einzige Person, die erkannt hat, daß ich verliebt bin — zum erstenmal in meinem Leben.«
»Was kann ich tun, um meinen Fehler wieder gutzumachen?« flüsterte Blair.
»Es gibt nichts, was du tun kannst. Er ist fort. Er hat mir Geld und das Haus hinterlassen und ist fortgegangen. Aber was soll ich mit diesem großen, leeren Haus anfangen, wenn er nicht darin ist?« Houston setzte sich. »Blair, ich weiß nicht einmal, wo er ist. Er könnte jetzt schon in einem Zug sitzen, der ihn nach New York zurückbringt — was weiß ich?«
»Ich vermute aber, daß er zu seiner Blockhütte unterwegs ist.«
Beide Frauen blickten hoch und sahen Kanes Freund Edan im Türrahmen stehen. »Ich hatte nicht vor, Sie zu belauschen; aber nachdem ich miterlebt habe, was bei der Trauung passierte, wußte ich, daß er sehr zornig sein würde.«
Houston wickelte sich geschickt die Schleppe ihres Brautkleides um den Arm. »Ich werde zu ihm gehen und ihm erklären, was passiert ist. Ich werde ihm sagen, daß meine Schwester so sehr in Leander verliebt ist, daß sie glaubte, ich wäre das ebenfalls.«
Sie drehte sich mit einem Lächeln zu Blair um. »Es ist schon schlimm, daß du mir zutrauen konntest, einen Mann nur seines Geldes wegen zu heiraten; aber ich danke dir für die Liebe, die dich dazu bewog, mir das opfern zu wollen, was dir inzwischen so viel bedeutet.« Und dann drückte sie rasch einen Kuß auf die Wange ihrer Schwester.
Blair klammerte sich einen Moment an sie. »Houston, ich hatte ja keine Ahnung, was du für ihn empfindest. Sobald der Empfang vorbei ist, werde ich dir packen helfen und . . .«
Houston löste sich mit einem kleinen Lachen aus ihrer Umarmung. »Nein, meine Teure, mich managende Schwester, ich werde dieses Haus sofort verlassen. Mein Mann ist mir wichtiger als ein paar hundert Gäste. Du wirst hierbleiben und all die neugierigen Fragen beantworten müssen, wo Kane und ich geblieben sind.«
»Aber, Houston, ich habe doch keine Ahnung, wie man Empfänge von dieser Größe bewältigen soll!«
Houston hielt unter der Tür neben Edan an. »Ich habe das im Verlauf meiner >wertlosen< Ausbildung gelernt«, sagte sie und lächelte dann. »Blair, es ist nicht so tragisch, wie du glaubst. Kopf hoch! Vielleicht gibt es ein paar Fälle von Lebensmittelvergiftung, und dann weißt du ganz genau, wie du sie bewältigen mußt. Viel Glück«, sagte sie und war durch die Tür, während Blair allein im Zimmer zurückblieb, vor Entsetzen wie gelähmt bei dem Gedanken, einer so riesigen, komplizierten Festlichkeit vorstehen zu müssen.
»Warum konnte ich nur meinen großen Mund nicht halten, als Houston sich damals für diese Schule entschied?« murmelte sie, während sie ihr Kleid glattzog, in ihrem eng geschnürten Korsett Luft zu holen versuchte und das Zimmer verließ.
Kapitel 18
Der Empfang übertraf noch Blairs schlimmste Befürchtungen. Den Leuten fehlte ständig dies oder das, und sobald Houston nicht mehr zu sehen war, schien keiner mehr zu wissen, was er machen sollte. Dann gab es da offenbar ein paar hundert Verwandte von Lee, die erklärt haben wollten, wie es zu dieser ungewöhnlichen Vertauschung der Zwillinge gekommen sei. Opal begann das Gerücht auszustreuen, daß Houstons Mann die Braut auf einem weißen Hengst entführt habe (wahrscheinlich auf einem Hengst mit Flügeln, dachte Blair bei sich), und all die jungen Damen flüsterten untereinander, daß Kane der romantischste aller Männer sei. Blair konnte nur daran denken, daß sie für ihre Person sicherlich froh war, daß ihre Vertauschung nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatte und sie nun ihre Hochzeitsnacht nicht mit Taggert verbringen mußte.
Ein Mann fragte Blair gerade, wie er das, was wie ein hundert Pfund schwerer Käselaib aussah, servieren sollte, als sie hochsah und bemerkte, daß Leander sie über die Köpfe von Hunderten von Gästen
Weitere Kostenlose Bücher