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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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durchgegeben. Der Sturm hat alle Verbindungen zum Festland gekappt. Ihr sitzt fürs Erste auf Vineyard fest, Bob!«
    Ich riss die Augen wieder auf, wandte den Kopf und suchte Taylors Blick.
    Sie lächelte mich an, aber aus irgendeinem Grund erreichte das Lächeln ihre Augen nicht. »Schlaf jetzt!«, wiederholte sie.
    Ich gehorchte.
    Ich schlief fast den ganzen nächsten Tag hindurch und wachte nur ab und zu kurz auf. David saß jedes Mal an meinem Bett und hin und wieder gesellten sich auch andere zu ihm. Jason beschwerte sich in regelmäßigen Abständen über den Eissturm und die Tatsache, dass man weder einen Arzt holen noch mich in eines der Krankenhäuser bringen konnte. Einmal hörte ich, wie David mit Henry darüber sprach, was auf der Klippe passiert war. Dann wieder glaubte ich, Grace’ Stimme zu vernehmen, war mir aber nicht ganz sicher.
    Wenn ich für kurze Zeit wach war, grübelte ich darüber nach, dass es etwas gab, was ich David hatte sagen wollen. Ich kam aber beim besten Willen nicht darauf, was es war. Es machte mich unruhig.
    Als ich gegen Abend aus meiner Betäubung erwachte und in der Lage war, mich hinzusetzen, war es schon wieder dunkel. Im ganzen Raum standen Kerzen verteilt, die ein warmes, flackerndes Licht spendeten. Das Stromnetz schien immer noch nicht wieder intakt zu sein. Kein Wunder! In Amerika lagen die meisten Stromleitungen überirdisch. Bei einem Eissturm rissen regelmäßig die Kabel und manchmal gab es deswegen tagelange Stromausfälle.
    Von David war keine Spur zu sehen.
    »Er ist nach nebenan gegangen«, sagte Taylor. Sie saß auf dem Stuhl am Kopfende des Bettes, auf dem David die ganze Zeit gehockt hatte, und hatte eine Zeitschrift auf dem Schoß liegen. »Ich habe ihm gesagt, dass er sich hinlegen soll. Er war am Ende. Die ganze Nacht hat er nicht geschlafen und den Großteil des Tages auch nicht.« Sie blätterte um.
    Ich stopfte mir das Kissen bequemer zurecht. Mir ging es deutlich besser. Der Nebel war aus meinem Kopf verschwunden, die Stimmen ebenfalls. Ich fühlte mich wieder wie ein Mensch. »Ich wäre tot, wenn er nicht gewesen wäre«, sagte ich.
    Taylor nickte ernst. »Vielleicht hilft ihm das, Charlies Tod zu überwinden.«
    Ein leichter Krampf entstand in meinem Magen, als sie den Namen nannte, und plötzlich wusste ich wieder, was ich David die ganze Zeit über so dringend hatte erzählen wollen. Das Buch! Ich wollte die Beine aus dem Bett schwingen. »Ich muss ihm …«
    »Du musst ihn vor allem schlafen lassen!«, fiel Taylor mir ins Wort, stand auf und schob meine Beine zurück an Ort und Stelle. »Morgen, wenn er wieder ganz auf dem Damm ist und du auch, habt ihr alle Zeit der Welt zum Reden.« Sie kümmerte sich nicht darum, dass ich protestierte, sondern ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen und las ungerührt weiter.
    »Mir geht es wieder gut!«, behauptete ich.
    Über den Rand ihrer Zeitschrift sah sie mich an. Im Licht der Kerzen wirkte ihre Miene weich und ihr Teint rosig. »Du warst unterkühlt. Und du hattest einen Blackout. Ich würde dich immer noch am liebsten in ein Krankenhaus bringen, um deinen Kopf untersuchen zu lassen, aber leider hat der Sturm uns vollständig abgeschnitten. Also ist das Einzige, was ich tun kann, froh darüber zu sein, dass ich eine medizinische Ausbildung habe. Ich werde dich hier im Bett behalten, Juli, bis ich mir sicher bin, dass du okay bist!«
    Darauf wusste ich nichts zu erwidern, also schwieg ich.
    Ein Blick auf das Cover ihrer Zeitschrift verriet mir, dass es sich um eine Cosmopolitan handelte. Das wunderte mich ein wenig. Taylor hatte auf mich überhaupt nicht den Eindruck gemacht, Cosmopolitan -Leserin zu sein. Ich hätte sie viel eher als den Fit-for-Fun- Typen eingeschätzt.
    Aber wie sagt man immer? Man schaut den Menschen eben nur bis vor die Stirn.
    »Hast du deine Nachricht inzwischen erhalten?«, fragte ich eine ganze Zeit später, nachdem es mir zu blöd geworden war, gegen die Decke zu starren und die flackernden Schatten der Kerzen zu beobachten.
    Taylor blickte von ihrem Artikel auf. »Was meinst du?«
    »Als wir zusammen joggen waren, hast du erwähnt, dass du auf eine Nachricht wartest. Hast du sie bekommen?«
    »Nein.« Ein schwaches Lächeln glitt über ihr Gesicht. Es sah so traurig aus, dass ich nicht wagte nachzuhaken.
    »Tut mir leid«, sagte ich nur.
    Noch später am Tag kam mein Vater zu mir und leistete mir eine Weile Gesellschaft. Ich beschwerte mich auch bei ihm über meine

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