Herz aus Glas (German Edition)
verunsichert aus und ich konnte mir nicht so recht erklären, warum. »Der Test auf …« Er nannte irgendeinen komplizierten chemischen Namen. »… war positiv.«
Während der Arzt sprach, war mein Vater hereingekommen. Dr. Redwood bemerkte ihn und wandte sich an ihn. »Wie es aussieht, hat Ihre Tochter auf einer der Partys der letzten Tage ein paar Pillen zu viel eingeworfen.«
Ich wollte protestieren, aber David hielt mich zurück. Mit zusammengekniffenen Augen sah er Dr. Redwood an. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Was ich damit sagen will«, gab der Arzt jetzt reichlich kühl zurück, »ist, dass es sich bei dem Wirkstoff, den Ihre Freundin im Blut hat, um eine ziemlich neue Partydroge der High-Society-Kids hier auf der Insel handelt. Sie nennen es White Rage. Ein Dreckszeug aus der Gruppe der Phenylethylamine. Einmal genommen, verursacht es einen ordentlichen Rausch, der ein bisschen einem LSD-Trip ähnelt, nur ohne Flashbacks und die ganzen anderen negativen Begleiterscheinungen. Längerfristig konsumiert, schärft es sämtliche Sinne. Nimmt man es, hört, riecht und schmeckt man alles mit großer Intensität. Besonders der Geschmack von Süßem wird extrem verstärkt.«
Ich musste daran denken, wie süß mir die Milch geschmeckt hatte, die Grace mir gebracht hatte. Und auch der ekelhafte Latte macchiato fiel mir ein, den ich mit Crystal in dem kleinen Café getrunken hatte. Hatten nicht auch die Lilien vor Amanda Bells Zimmer plötzlich sehr viel intensiver gerochen als zuvor? Jetzt wusste ich, warum.
»Darüber hinaus«, erklärte Dr. Redwood weiter, »hat es aber eine ganze Menge anderer Nebenwirkungen. Übelkeit. Schwindel, wenn man es zu häufig nimmt. Und vor allem verursacht es in Verbindung mit Kalzium Wahnvorstellungen.« Wieder schaute er auf seinen Testbericht. »Und wie es aussieht, hat Juli ein paar Mal zu oft davon genascht.«
»Meine Tochter nimmt keine Drogen!«, begehrte mein Vater auf. »Jemand hat sie vergiftet!«
Dr. Redwood sah ihn mit einem Ausdruck an, der mir klarmachte, dass er diese Ausrede vermutlich schon öfter gehört hatte. »Wenn es so ist«, sagte er ganz ruhig, »dann sollten Sie bei der Polizei Anzeige erstatten.«
Der Blick meines Vaters huschte zu mir. »Das werden wir!«, versprach er. »Aber was gedenken Sie gegen die Symptome zu tun?« Er wies auf mich, um die Bedeutung seiner Frage zu unterstreichen.
»Gegen White Rage gibt es kein Gegenmittel.« Dr. Redwood zuckte bedauernd die Achseln. »Alles, was wir tun können, ist, Juli zu überwachen und abzuwarten, bis die Wirkung nachlässt.«
»Wie lange wird das dauern?« Davids Stimme war ähnlich ruhig wie die des Arztes, aber ich konnte ihm ansehen, dass er am liebsten irgendetwas zertrümmert hätte.
»Zwei, drei Tage vermutlich.« Der Arzt wandte sich zum Gehen. Die Tür meines Krankenzimmers schwang hinter ihm zu und fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss.
Nachdem er weg war, überlegten mein Vater und David eine Weile, wer ein Interesse daran haben könnte, mich zu vergiften. Wenn Dr. Redwoods Ergebnisse korrekt waren, dann hatte ich die Droge nicht nur einmal genommen, sondern mehrere Male. Was dagegen sprach, dass sie mir jemand auf einer der Partys, auf denen ich gewesen war, untergejubelt hatte. Ich hörte zu, wie Dad und David über Grace und den Rest des Personals sprachen, über Taylor, Crystal und ihre Freundinnen. Einmal erwähnte David sogar den Namen seines Vaters, aber ich konnte mich auch getäuscht haben, denn ich war von all dem Kram, der mir passiert war, inzwischen so müde, dass mir immer wieder die Augen zufielen.
Anders als in deutschen Krankenhäusern, in denen die Angehörigen den ganzen Tag lang bleiben dürfen, gibt es in amerikanischen noch immer eine genau geregelte Besuchszeit – zumindest bei Patienten, die nicht in Lebensgefahr schwebten. Und da das bei mir seit dem Ergebnis des Drogentests nicht mehr der Fall zu sein schien, kam irgendwann die Krankenschwester herein und verkündete, dass David und mein Dad nun gehen müssten. »Es tut mir leid«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln, das ich ihr nicht wirklich abnahm.
Ich wollte protestieren, wollte auf keinen Fall, dass David ging. Aber er erhob sich wortlos, beugte sich über mich und gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn. »Ich bin gleich wieder da!«, versprach er.
Nachdem auch mein Vater sich von mir verabschiedet hatte, folgte David ihm auf den Gang hinaus.
Es verging vielleicht eine halbe Stunde, da
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