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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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du mit zu Zac gekommen bist, weil du meinst, dich für Charlies Tod bestrafen zu müssen … Lass mich ausreden!« Er hatte mir ins Wort fallen wollen, aber ich hob eine Hand und brachte ihn so zum Schweigen.
    Er richtete den Blick in die Ferne, dorthin, wo das Meer war.
    Der Wind riss an meinen Haaren und peitschte sie mir ins Gesicht. »Ich weiß, dass du sie schrecklich vermisst, und ich glaube, dass du dir selbst die Schuld an ihrem Tod gibst, aus welchem Grund auch immer. Dein Vater hat mich gebeten, dir zu helfen, aber das kann ich nur, wenn du mit mir redest, David!«
    Da endlich löste sich sein Blick von der Ferne und kehrte zu mir zurück. Das Mondlicht glänzte auf seinen Wangen. »Du hast keine Ahnung«, sagte er.
    Ich unterdrückte die neue Welle von Ärger, die mich überkommen wollte. »Dann rede mit mir! Erzähl mir, wie es dir geht. Das soll helfen, habe ich irgendwo gehört.« Es gelang mir nicht, den Sarkasmus zu unterdrücken.
    David rührte sich nicht. Ich fragte mich, warum er mich nicht einfach stehen ließ, schließlich musste ich in seinen Augen der Inbegriff einer Nervensäge sein. Aber vermutlich war er dazu einfach zu höflich und vor allem zu gut erzogen.
    Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, trat vor ihn hin und berührte ihn am Oberarm. Er wich nicht zurück, aber er wirkte so steif, als sei er aus Holz. »David!«, bat ich.
    Einen Augenblick lang standen wir sehr dicht beieinander. Sein Atem roch nach dem Whiskey, den er getrunken hatte. Durch den dünnen Stoff seines Pullovers konnte ich spüren, wie kalt seine Haut war. Ich ließ seinen Arm los und meine Hand wanderte zu seinen Rippen. Dorthin, wo sich sein Tattoo befand. Nur ganz leicht legte ich die Fingerspitzen darauf und trotzdem zuckte David zurück. Ich wusste, dies war die Stelle, an der Henrys Boxhieb ihn getroffen hatte.
    »Tut es sehr weh?«, fragte ich leise.
    Mein Herz klopfte so heftig, dass mir fast schlecht davon wurde.
    David schüttelte den Kopf. »Nur, wenn ich atme«, sagte er. Dann wandte er sich von mir ab. Und verschwand im Haupthaus.

N ach so vielen katastrophalen Ereignissen an nur einem Abend fühlte ich mich zu durcheinander, um alleine sein zu können. Ich ging zu meinem Vater in sein Appartement und fand ihn zu meiner Überraschung nicht an seinem Computer, sondern auf dem Bett. Er schlief so tief und fest, dass ich seufzend beschloss, ihn nicht zu stören. Vermutlich hatte er keinen richtigen Schlaf bekommen, seit wir auf der Insel angekommen waren, und ich würde mit meinen Teenagerproblemen sowieso besser ohne ihn zurechtkommen. Also schlich ich mich so leise wie möglich aus dem Raum und schloss die Tür hinter mir.
    Kurz darauf stand ich in meinem Appartement am Fenster und fragte mich zum wahrscheinlich hundertsten Mal an diesem Tag, welcher Teufel mich eigentlich geritten hatte, auf diese Insel zu kommen. Ich fühlte mich dünnhäutig, elend und gläsern, so als müsse man mich nur antippen und ich würde in tausend Scherben zerspringen. Wenn ich an David dachte, verspürte ich eine Mischung aus unterschiedlichsten Gefühlen. Da waren zum einen natürlich Wut und Verständnislosigkeit dafür, wie er sich auf der Poolparty verhalten hatte. Was hatte ihn nur zu diesem makabren Scherz getrieben? Ihm musste doch klar sein, dass Henry, sein bester Freund, vor Sorge um ihn fast einen Herzschlag bekommen hätte. Ich schloss die Augen und sah Davids regungslosen Körper auf der Wasseroberfläche treiben. Was hatte ich in diesem Moment gefühlt? Ich wusste es nicht mehr, aber ich erinnerte mich sehr genau daran, wie sich mein Herz zusammengezogen hatte, als David sich hingestellt hatte. Vor Erleichterung waren mir sogar Tränen in die Augen geschossen. Jetzt, wo ich hier in meinem Zimmer stand und in den wolkenverhangenen Nachthimmel starrte, kamen die Emotionen und auch die Erleichterung noch einmal hoch. Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich musste tief durchatmen, weil ich das Gefühl hatte zu ersticken.
    »Juli Wagner«, sagte ich zu meinem Spiegelbild in der Fensterscheibe. »Du bist so eine dumme Kuh!«
    Dann öffnete ich das Fenster einen Spaltbreit und sog tief die eisige Luft ein.
    Der Wind wehte die Mondscheinsonate über den Rasen zu mir heran.
    In dieser Nacht brauchte ich lange, bis ich einschlafen konnte. Als es mir doch endlich gelang, träumte ich davon, wie ich im Meer trieb und langsam in den Fluten versank, die dieselbe türkis leuchtende Färbung hatten wie der Swimmingpool in Zacs

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