Herz aus Glas (German Edition)
Haus.
Am anderen Morgen erwachte ich mit Kopfschmerzen. Ich quälte mich aus dem Bett, duschte und zog mich an. Zu meiner Erleichterung war außer meinem Vater niemand da, als ich das Frühstückszimmer betrat.
»Oh!«, sagte er und schenkte mir ein Lächeln. »Ich dachte, ich treffe dich heute frühestens beim Mittagessen. Wie war die Party gestern Abend?«
Eine Vollkatastrophe.
Ich schluckte die Antwort herunter, die mir auf der Zunge lag, und meinte stattdessen: »Sonderbar.«
»Inwiefern?« Mein Vater hatte sein Frühstück bereits beendet und ich konnte ihm ansehen, dass er auf dem Sprung zurück an die Arbeit war. Trotzdem blieb er sitzen und sah mich jetzt mit einem Ausdruck völliger Konzentration an.
Ich war so angespannt, dass mir sogar diese Kleinigkeit beinahe die Tränen in die Augen trieb. Ich stand noch immer an der Tür des Frühstücksraums, aber jetzt ging ich zum Esstisch und setzte mich neben Dad.
»Es ist kompliziert«, begann ich mit der üblichen Floskel, die ich sonst eigentlich nur benutzte, wenn ich ihm nicht wirklich etwas erzählen wollte.
Mein Vater verstand es entsprechend falsch. »Nun dann.« Er wollte noch etwas hinzufügen, aber in diesem Moment kam Jason herein, energiegeladen und laut wie immer.
Er begrüßte mich abwesend, dann wandte er sich gleich an meinen Vater. »Bist du fertig?«
Unglücklich sah Dad mich an. »Ich muss aufs Festland, ein paar Recherchen für meinen Roman machen. Jason meint, dass sich möglicherweise ein Sturm nähert, und ich will wieder zurück sein, bevor das der Fall ist.«
Ich lächelte so tapfer, wie ich konnte. »Geh ruhig! Ich komme klar!«
Er schien nicht überzeugt, aber Jason war kurz davor, ihn zu packen und aus dem Raum zu schleifen, also stand er seufzend auf. »Ich komme«, sagte er leise.
Als die beiden fort waren, nahm ich mir Obst und einen Becher Kaffee und setzte mich so, dass ich aus dem Fenster hinaus auf den Rasen vorm Haus blicken konnte. Es war noch früh, nicht einmal acht Uhr, aber obwohl ich weniger geschlafen hatte als sonst, war ich nicht besonders müde.
Ich spülte meine Magnesiumtablette mit einen Schluck Kaffee hinunter, dann begann ich, eine Kiwi zu schälen. Der Geruch der reifen Frucht kitzelte mir in der Nase, sodass ich niesen musste.
»Gesundheit!« Taylor betrat in genau diesem Moment den Raum. Sie war offenbar bereits joggen gewesen, denn ihr Gesicht glühte noch, obwohl sie frisch geduscht war.
Ich nickte ihr zu und verbarg meine Enttäuschung darüber, dass ich nicht mehr allein war.
»Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte sie.
»Klar.« Ich schnitt die Kiwi auf meinem Teller in Scheiben und nahm mir einen Apfel vor.
Mit einer Schale Joghurt in der Hand setzte Taylor sich zu mir. »Gut geschlafen?«
Ich zuckte die Achseln. »Geht so.«
Taylor deutete auf die Anrichte, wo neben einer silbernen Kaffeekanne auch ein Samowar stand, der in diesem Augenblick anfing, leise vor sich hin zu köcheln. »Es gibt hier einen sehr guten Kräutertee«, sagte sie. »Mir hilft der immer ganz gut, wenn ich nicht einschlafen kann.«
Ich überlegte, ob ich ihr verraten sollte, dass ich gestern Abend etwas Stärkeres als Tee getrunken hatte. Allein bei dem Gedanken daran schmeckte ich noch das Aroma des Cocktails, den Henry mir gemixt hatte.
Grace kam herein, prüfte, ob von allen Gerichten noch genügend da war. Ich wartete, dass sie den Raum wieder verlassen würde, aber sie baute sich in einer Ecke auf wie eine Statue. Mit ausdruckslosem Blick, aber jederzeit bereit, eine Anweisung entgegenzunehmen.
Ich unterdrückte ein Seufzen. »Zu Hause mache ich mir manchmal eine heiße Milch, wenn ich nicht einschlafen kann.«
»Warum bittest du Grace nicht, sie dir auch hier zu bringen?«, fragte Taylor.
Auf diese Idee war ich natürlich noch nicht gekommen. »Mach ich vielleicht heute Abend«, murmelte ich.
Taylor nickte. »Warum konntest du nicht schlafen?«
Ich musterte sie und begriff, dass sie versuchte, mich zu analysieren.
»War etwas auf dieser Party?«, hakte Taylor nach, als ich nicht sofort antwortete.
Ich schluckte. Durchschaut!, dachte ich und rettete mich wieder mal in meine altbewährte Ehrlichkeit. »David hat … sich ziemlich schräg benommen.«
Taylor lachte. Es war ein irgendwie sonderbares Lachen – ein bisschen zu laut und explosiv. »Er benimmt sich schon seit Wochen schräg.«
Ich wartete darauf, dass sie Charlies Tod ansprechen würde, aber sie tat es nicht. Ich war erleichtert
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