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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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den Gefallen. Unruhig rutschte ich auf dem Beifahrersitz hin und her. In dem Spiegel an der Sonnenblende versuchte ich, Davids Blick einzufangen, doch er wich mir aus. Seine Haare waren noch immer nass, aber sie tropften jetzt nicht mehr.
    »Wer ist Madeleine?« Inzwischen musste ich die Worte hervorwürgen. »David?«
    Da endlich begegnete er mir im Spiegel. In seinen Augen lag ein Ausdruck, der mir Angst machte. Etliche Sekunden lang starrten wir uns nur schweigend an.
    Dann beugte David sich ein wenig vor. »Fahr langsamer, Henry«, sagte er. »Du bringst uns sonst noch um.«
    Der Rest der Fahrt verging in bedrückendem Schweigen. Ich war froh, als wir Sorrow endlich erreichten und Henry vor dem wuchtigen Herrenhaus anhielt.
    Ich quälte mich aus dem Wagen und langte nach dem Griff, mit dem man den Beifahrersitz nach vorne klappen konnte. David schob sich an mir vorbei. Als er Anstalten machte, in Richtung Haupthaus zu verschwinden, stellte ich mich ihm in den Weg. »Ich lasse dich nicht eher weg, bis du mir erzählt hast, wer diese Madeleine ist!«, fauchte ich. Ich fühlte mich so überreizt, dass ich einfach nicht mehr in der Lage war, freundlich und ruhig zu bleiben.
    Er blieb stehen. Schwieg.
    Vom Meer her wehte ein eisiger Wind und trieb Wolkenfetzen vor den Mond, sodass das Licht wie in einem alten Schwarz-Weiß-Film wirkte. Die Laternen der Auffahrt sahen in der Finsternis aus wie Sterne, die auf die Erde gefallen waren.
    »Ich habe dir doch von der Insellegende erzählt«, antwortete Henry an Davids Stelle. Auch er war ausgestiegen, stand neben der geöffneten Fahrertür und hatte die Arme auf der Dachreling abgestützt. »Madeleine ist ein Geist. Man erzählt sich, dass sie bei dem Schiffsunglück gestorben ist, das im 19. Jahrhundert dort draußen vor Vineyard passiert ist. Es heißt, kurz vor ihrem Tod hat sie die Insel verflucht und spukt seither auf den Klippen von Gay Head.«
    »Du hast ein paar wichtige Details vergessen«, sagte David leise.
    Henry schnaubte nur höhnisch.
    In meinem Brustkorb verwandelte sich die Anspannung in einen haarfeinen Schmerz, wie man ihn verspürt, wenn man mit bloßen Füßen über Glasscherben tastet. Nur einen Schritt und es wird richtig wehtun, sagt einem dieser Schmerz.
    »Dieses Schiffunglück«, meinte ich vorsichtig. »Es war die City of Columbus, oder? Das Schiff, das dort draußen auf den Klippen aufgelaufen ist und von dem du mir neulich schon erzählt hast, stimmt's, David?«
    Er nickte.
    Henry stieß sich von seinem Autodach ab. »Also ich weiß nicht, wie es euch geht, Leute, aber ich bin hundemüde. Wenn ihr also meine Gesellschaft nicht mehr braucht, würde ich dann jetzt nach Hause fahren …«
    »Klar«, sagte David. »Fahr ruhig.« Er wartete ab, bis Henry in den Wagen gestiegen war und gewendet hatte. Als der gelbe Sportflitzer mit durchdrehenden Reifen die gewundene Auffahrt davonschoss, wandte David sich an mich. »Kommst du alleine klar?«
    In meinem Magen grummelte es zornig. Wer war hier derjenige, der Probleme hatte – er oder ich? Ich konnte den Blick nicht von den nassen Spitzen seiner dunklen Haare abwenden. Wie kleine Speere sahen sie aus, die auf seine Augen zielten. Bei dem Anblick sah ich ihn wieder im Wasser des Pools stehen, gekrümmt, weil Henry ihn geschlagen hatte.
    Er blinzelte nicht.
    »Natürlich komme ich allein klar«, murmelte ich und hätte ihn am liebsten angeschrien.
    Da nickte er knapp. »Dann werde ich mich jetzt zurückziehen.«
    Ich lachte bitter. »Was ist mit all den Dingen, die heute Abend passiert sind?«
    Er sah mich nur an.
    »Die Art, wie die anderen Jungs dich behandelt haben. Fangen wir doch damit an. Dieser Hass, der dir entgegengeschlagen ist. Du hast damit gerechnet, oder?«
    Er zuckte die Achseln. Langsam ging er mir echt auf die Nerven. »Verdammt noch mal!«, schrie ich ihn an. »Rede endlich mit mir, du Arschloch!« Es tat verblüffend gut, auf diese Weise Dampf abzulassen. Der feine Schmerz in meiner Brust ließ ein bisschen nach.
    Der Mond kam kurz hinter den zerrissenen Wolken hervor und warf schimmernde Reflexe auf Davids blasse Haut.
    »Es ist kalt«, sagte er. »Du solltest reingehen, damit du dir keine Erkältung holst.« Er selbst trug nur seinen Rollkragenpullover und mir wurde bewusst, dass er seine Jacke bei Zac oder in Henrys Wagen vergessen haben musste.
    »Was ist mit dir?«
    »Ich komme klar.« Er wies mit dem Kopf auf das Gästehaus.
    Ich ignorierte diese Aufforderung. »Ich weiß, dass

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