Herz aus Glas (German Edition)
Suzie und mir reichte Kimberley mit einer eher kühlen Geste die Hand, dann wandte sie sich Henry und David zu.
»Na, ihr beiden Hübschen!« Ihre Stimme sackte von einem Augenblick auf den anderen um eine ganze Oktave nach unten.
Henry schob sich vor wie ein Footballspieler, der seinen Quarterback decken will, und ich hatte den Eindruck, er versuchte, David davor zu bewahren, von Kimberleys Energie zermalmt zu werden. Mit seiner Körpergröße war er vermutlich der Einzige im Raum, dem das gelingen würde.
»Hallo Miss Primrose«, sagte er mit einer Stimme, die auf einmal übertrieben samtweich klang. Ich fragte mich, ob er Kimberley auf den Arm nahm, aber ihr schien dieser Gedanke nicht zu kommen.
»Kimmi!«, rief sie. »Ich habe dir schon hundertmal gesagt, dass du mich Kimmi nennen sollst!«
»Kimmi«, wiederholte Henry mit einer kleinen Verbeugung. Unter seinen Haaren hervor blinzelte er mir spöttisch zu und da wusste ich sicher, dass er Kimmi veralberte.
Ihr jedenfalls schien sein Verhalten zu gefallen. Sie kicherte kleinmädchenhaft.
Nachdem sie ihren großen Auftritt gehabt hatte, fiel mein Blick nun auf die beiden anderen Frauen, die mit ihr zusammen angekommen waren. Beide waren sie wesentlich jünger als Kimmi, vermutlich eher in den Zwanzigern als in den Dreißigern. Und beide trugen sie das, was ich gern als Lektorinnenuniform bezeichnete: schmale dunkle Etuikleider und kniehohe Stiefel. Intellektueller Businesslook. Beerdigungslook, wenn man Taylors Meinung teilte.
Jason stellte sich zwischen die beiden. »Kimmi muss ich ja wohl kaum vorstellen«, sagte er und strahlte die Bestsellerautorin an. »Aber das hier sind Miranda und Emma. Zwei Lektorinnen aus dem Bells Verlag, die, glaube ich, noch keiner von euch kennt.« Er schob die beiden in die Mitte des Raumes und sie begrüßten sowohl meinen Vater als auch Roman mit großer Professionalität. Als das erledigt war, begannen sie sogleich, über Bücher zu reden.
»David, nicht wahr?« Kimmi klinkte sich nach wenigen Minuten aus dem Gespräch aus und baute sich vor David auf. Henry, der von Jason darum gebeten worden war, sich um die Drinks für die Gäste zu kümmern, war zu weit entfernt, um sich noch einmal schützend vor ihn zu stellen.
»Ja, Miss Primrose.« David sprach durch schmale Lippen, aber er schaffte es, gerade so mürrisch und verloren auszusehen, dass er für Kimmi erst interessant zu wirken schien.
Ich sah, wie ihre Augen zu glitzern begannen. In ihren Romanen wimmelte es von gebrochenen Helden, die sich mit unendlichen Schuldgefühlen herumplagten. Vermutlich sah sie in David ein geeignetes Studienobjekt für ihre Recherchen. »Warum so spröde?«, fragte sie und ich hätte zu gern gewusst, ob sie über die Sache mit Charlie informiert war.
David antwortete nicht sofort, sondern presste die Lippen noch fester aufeinander. »Entschuldigen Sie«, sagte er dann. »Ich wollte natürlich nicht unhöflich sein!«
Kimmi lachte auf. »Nein. Das wolltest du sicher nicht. Wärest du so nett und würdest uns was zu trinken besorgen? Was Richtiges, was für Männer, meine ich.«
»Natürlich.« David warf mir einen hilflosen Blick zu, ging dann aber zu dem Wagen mit den Karaffen, den Grace aus dem Speisezimmer hergeschafft hatte. Ich folgte ihm.
Henry empfing David mit einem mitleidigen Grinsen. »Die hat dich zum Abschuss freigegeben!«
David zuckte nur die Achseln, aber ich erkundigte mich, was Henry damit meinte.
Er goss Whiskey in ein Highballglas und gab es David. »Für Miss Promiskuitiv.«
Ich riss die Augen auf und starrte ihn erschrocken an, doch er lachte nur.
»Was denn? Ist doch allgemein bekannt, dass Kimberley Primrose auf jüngere Männer steht und sie in ihr Bett zu kriegen versucht!« Er schenkte David einen Blick, der wohl schmachtend aussehen sollte, dann wandte er sich wieder mir zu. »Sehr viel jüngere Männer, wenn du verstehst, was ich meine, Süße!«
Und da begriff ich, was er gemeint hatte, als er sagte, Kimmi hätte David zum Abschuss freigegeben. Ich musste schlucken. Mit wachsendem Unbehagen sah ich, wie Kimmi David zuwinkte.
Er straffte die Schultern.
Am liebsten hätte ich ihn an die Hand genommen und wäre mit ihm auf der Stelle von hier verschwunden.
»Ich komme schon damit klar«, sagte er leise. Kurz begegneten sich unsere Blicke. Ein Lächeln glitt über seine Lippen! Für ein paar Sekunden, die mir wie Ewigkeiten vorkamen, vergaß ich alles andere ringsherum.
»Hey!«, holte Henrys
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