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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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mit Limonade gab, »dann bricht er bald zusammen.«
    Aber bevor wir eine Idee hatten, mit welchem Vorwand man David entschuldigen konnte, schaffte er selbst Tatsachen. Gegen zehn Uhr abends stellte er sein Glas mit einem Ruck auf dem Tablettwagen ab, dann stürzte er nach draußen, als sei ihm plötzlich schlecht geworden.
    Alarmiert blickte Jason von seinem Gespräch mit meinem Vater und einer der Lektorinnen auf. Ich konnte erkennen, dass er ehrlich besorgt war. Mein Blick flog zwischen ihm und Henry hin und her. Taylor hatte heute Abend frei. Gleich nach meiner Ausstaffierung hatte sie das Haus verlassen und war nach Oak Bluffs gefahren, um eine Freundin zu besuchen.
    »Ich gehe ihm nach«, murmelte ich und Jason wirkte erleichtert. Ohne weitere Umschweife wandte er sich wieder seinem Gespräch zu.
    Ich drückte Henry mein Glas in die Hand.
    »Viel Glück!«, flüsterte er mir zu.
    Ich dankte ihm und eilte hinter David her.
    Weit war er nicht gekommen. Ich fand ihn in der großen Halle, auf die Lehne eines Sessels gestützt und mit hängenden Schultern stand er da.
    Zögernd trat ich hinter ihn.
    Er hatte mich bemerkt. Über seine Schulter hinweg warf er mir einen Blick zu, dann riss er sich zusammen, richtete sich auf, drehte sich aber nicht zu mir um.
    Ich schluckte. »Ich würde dir so gern helfen, David!«, sagte ich leise.
    Wie stets dauerte es, bis er etwas erwiderte. »Du kannst mir nicht helfen.«
    Ich wartete.
    »Du machst alles nur noch schlimmer!«, fügte er hinzu.
    Seine Worte schmerzten, aber ich hatte versprochen, mich um ihn zu kümmern, und das würde ich, verdammt noch mal, jetzt auch tun. Egal, wie es mir selbst dabei ging. »Warum?« Es kostete mich Überwindung, aber ich trat noch näher an ihn heran. Ganz vorsichtig legte ich eine Hand auf seinen Arm. Er zitterte, das konnte ich deutlich spüren. Ich zwang ihn, sich zu mir umzudrehen, und er ließ es geschehen. Seine Bewegungen waren langsam und schwerfällig.
    Einige Sekunden lang standen wir uns schweigend gegenüber. Wieder beschleunigte sich mein Herzschlag unter seinem durchdringenden Blick. Seine Hand hob sich, näherte sich meiner Wange. Aber er berührte mich nicht. Ganz dicht vor meinem Gesicht hielt er inne. Am liebsten hätte ich gleichzeitig geheult und gelacht. Ich musste mich räuspern, um sprechen zu können. »Ich weiß, ich kann sie dir niemals ersetzen, aber ich kann versuchen, dir eine Freundin zu sein. Lass jemanden versuchen, dir zu helfen, lass es mich versuchen!«
    Er schien diesen Worten nachzulauschen. Endlich nickte er. »Ja, das würde dir ähnlich sehen.« Seine Augen waren rot und trocken.
    Ich war nicht sicher, wie er das meinte, aber es war auch egal. Langsam ließ ich seinen Arm los, doch dann gab ich mir einen Ruck. Ich trat vor und zog David in meine Arme.
    Sofort versteifte er sich. Er erwiderte meine Umarmung nicht, aber er entwand sich mir auch nicht. Mehrere Minuten vergingen und ich hatte das Gefühl, eine Statue in den Armen zu halten. Dann, endlich, zog David mich an sich. Er klammerte sich an mir fest wie ein Ertrinkender. Alle Kraft schien von einem Moment auf den anderen aus ihm gewichen zu sein. Er suchte Halt, an mir, zumindest für einen Augenblick.
    Tief sog ich seinen Geruch ein, er hatte irgendein teures Aftershave aufgelegt. Eine eigenartige bittersüße Melancholie hüllte mich ein. David hielt mich im Arm! Egal, ob er dabei an Charlie dachte oder nicht, er war in diesem Moment hier bei mir. Mehr würde ich niemals bekommen. Die Erkenntnis traf mich wie ein Hammerschlag.
    Ich weiß nicht mehr, wie lange wir so dastanden. Irgendwann kam Henry aus der Bibliothek, um nach dem Rechten zu sehen. Über Davids Schulter hinweg sah ich ihn an.
    Erstaunt, uns so zu sehen, hob er die Augenbrauen, aber er sagte nichts. Ich schüttelte stumm den Kopf und lautlos zog er sich zurück und signalisierte mir mit erhobenem Daumen seine Zufriedenheit.
    David hatte ihn nicht bemerkt.
    »Juli …«, murmelte er in mein Haar. »Das hier …« Er holte seufzend Luft, dann machte er sich von mir los. Am liebsten hätte ich ihn wieder an mich gezogen, aber es schien ihm jetzt ein wenig besser zu gehen. Er stand aufrechter da. »Es geht nicht«, beendete er, was er hatte sagen wollen.
    Ich nickte und war froh, dass mir nicht die Tränen kamen. Auf keinen Fall sollte er sehen, wie sehr mich seine Worte trafen.
    »Ich bin …«, setzte David unglücklich an.
    Ich legte ihm einen Finger auf die Lippen. Auch bei dieser

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