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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Berührung durchfuhr es mich wie ein Stromschlag. »Scht!«, machte ich. »Ich weiß! Ich will dir nur helfen.«
    Er hob den Kopf, unsere Blicke trafen sich und ich kämpfte nun selbst gegen das Gefühl an zu schwanken.
    Kaum merklich nickte er. Seine Lippen teilten sich, als wolle er noch etwas sagen, aber dann wandte er sich ab. Mit schweren Schritten stieg er die Treppe nach oben und verschwand in seinem Zimmer.
    Der Empfang endete gegen Mitternacht, als die Autoren sich verabschiedeten. Die Lektorinnen waren schon eine Stunde eher gegangen und auch Kimmi schien nach Davids Verschwinden die Lust an dieser Veranstaltung verloren zu haben. Henry gab sich zwar alle Mühe, sie aufzumuntern, aber sie wirkte mürrisch und enttäuscht und schien froh, als Roman und Suzie endlich zum Aufbruch bliesen und sie mitnahmen.
    Als alle weg waren und auch Jason mir gedankt und sich zurückgezogen hatte, wechselte mein Vater noch ein paar Worte mit mir. Seinen glühenden Wangen konnte ich ansehen, dass die Lektorin, die mit ihm den aktuellen Roman durchgesprochen hatte, ihn auf neue Ideen gebracht hatte. Er wirkte fahrig und begierig, an seinen Schreibtisch zu kommen, und so wehrte ich alle Fragen danach, wie mir der Abend gefallen hatte, ab und schickte ihn zurück an seine Arbeit.
    Henry verabschiedete sich als Letzter von mir. »David kann froh sein, dass du da bist«, sagte er draußen auf der gekiesten Auffahrt. Er hatte seinen Hausschlüssel schon in der Hand.
    Da war ich mir allerdings nicht so sicher. Ich wusste, wie leicht ich zu durchschauen war, und meine größte Sorge bestand darin, dass David erkennen würde, wie sehr ich mich in ihn verliebt hatte – und dass ich damit seinen zahlreichen Problemen ein weiteres hinzufügen würde. So wie ich ihn in den letzten Tagen kennengelernt hatte, bestand durchaus die Gefahr, dass er sich selbst die Schuld an meinem Zustand geben würde. Er durfte es also auf keinen Fall merken! Blöd nur, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich es vor ihm verbergen konnte. Es sei denn, ich verließ die Insel so schnell wie möglich …
    All das schoss mir durch den Kopf, während ich nach einer passenden Erwiderung auf Henrys Worte suchte. Er wartete und beobachtete mich dabei und ich fragte mich, ob er nicht meine Gedanken ohnehin längst erraten hatte.
    Ein leises Lachen kam über seine Lippen. »Glaub mir!«, sagte er. »Manchmal wirken die Dinge auf den zweiten Blick ganz anders als auf den ersten.«
    Ich wischte mir über die Nase. Ich hatte keine Jacke angezogen und dementsprechend kalt war mir. »Was soll das heißen?«
    Er streckte die Arme aus und zog mich an sich. Seine Umarmung war eher lässig. Kameradschaftlich. Nicht zu vergleichen mit der von David. Ein dicker Kloß saß mir im Hals und ich schluckte dagegen an.
    »Das wird schon!«, murmelte Henry in meine Haare.
    Als er weg war, ging ich in mein Appartement und schlüpfte erleichtert aus den High Heels. Dann zog ich die Zudecke vom Bett, schlang sie mir um die Schultern. Auf Strümpfen tapste ich ans Fenster, öffnete es und trat auf den Balkon hinaus. Die Fliesen waren eiskalt, aber das war mir egal. Das Meer klang zornig, als würde es mir Vorwürfe machen. Besser, du verlässt die Insel!
    Ich zog die Decke unter dem Kinn zusammen und starrte in die Dunkelheit hinaus. Der Himmel war wolkenlos. Es war kein Mond zu sehen und die Sterne funkelten kühl und emotionslos über mir.
    Ich schaute zum Herrenhaus hinüber und suchte nach Davids Fenster. In seinem Zimmer war es dunkel, vermutlich lag er längst im Bett. Ich hoffte für ihn, dass er schlafen konnte, aber gleichzeitig wünschte ich mir, dass er anfangen würde, die Mondscheinsonate zu spielen. Sie hätte meine wehmütige Stimmung wunderbar untermalt und den Kokon aus Melancholie, in den mich der Abend verbannt hatte, noch ein wenig enger geschnürt.
    Erst nach einigen Minuten fiel mir ein, dass das Klavier ja zerstört war.
    Ein leises Klopfen an meiner Appartementtür ließ mich aufhorchen.
    »Es ist offen!«, rief ich, ohne mich zu rühren.
    Grace kam herein, in den Händen ein kleines Silbertablett, auf dem ein großes Glas mit Milch stand. In der offenen Balkontür blieb sie stehen und musterte mich mit leichter Missbilligung.
    Ja, dachte ich aufsässig. Sie haben recht behalten. Madeleine sorgt dafür, dass ich hier nicht glücklich werde!
    Ich war überzeugt davon, dass sie genau das im nächsten Augenblick zu mir sagen würde, aber sie seufzte nur leise und hob das

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