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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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einfach nicht, was ich denken und glauben sollte.
    »Hast du Adam noch mal danach gefragt?«, wollte Henry wissen.
    »Er hat es nicht!»
    »Hast du ihn noch mal gefragt?« Henrys Stimme war eindringlich.
    David senkte den Kopf. »Nein. Er ist sowieso nicht gut auf mich zu sprechen und nach der Aktion von Juli heute … Ich wollte ihn nicht noch mehr quälen.«
    Henry strich sich mit beiden Händen seine langen Haare zurück. »Stattdessen quälst du lieber dich selbst«, sagte er trocken. »Du hast mir übrigens immer noch nicht verraten, was so wichtig an diesem Buch ist.«
    Da schaute David wieder auf. Seine Stimme war sehr leise und es war Glück, dass genau in diesem Moment der Wind so weit nachließ, dass ich ihn trotzdem verstehen konnte.
    »Es kann sein, dass darin ein Hinweis zu finden ist, warum sie sich umgebracht hat, Henry!«
    Nachdem ich dieses Gespräch belauscht hatte, konnte ich lange nicht einschlafen, denn ein Gedanke ging mir unentwegt im Kopf herum: War das Buch, von dem David und Henry eben gesprochen hatten, Charlies Rebecca -Ausgabe, die ich bei Rachel gekauft hatte? Das konnte wohl kaum sein, denn dann hätte Henry ihm doch gesagt, dass ich es hatte.
    Vielleicht aber wollte Henry David nur vor etwas beschützen, das in diesem Buch stand, und schwieg deshalb. Was auch immer es war: Heute Nacht würde ich dieses Rätsel nicht mehr lösen. Ich kam zu dem Schluss, dass ich Henry einfach morgen danach fragen würde. Mit diesem Vorsatz schlief ich endlich ein.
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, war das ein mühsamer und quälender Prozess, der sich anfühlte, als versuche ich, aus einem klebrigen Sumpf zu entkommen. Wieder war meine Zunge pelzig und ich hatte einen ekeligen Geschmack im Mund. Wieder schwankte die Welt unter mir und ich kam mir vor, als hätte ich die ganze Nacht auf einem Schiff zugebracht und sei gerade an Land angekommen. Für einige Minuten war ich so verwirrt, dass ich nicht einmal wusste, ob ich das Gespräch zwischen Henry und David gestern Nacht tatsächlich gehört oder aber nur geträumt hatte.
    Ich ignorierte den hämmernden Kopfschmerz, so gut ich konnte, ging duschen, zog mich an und frühstückte dann – heute gemeinsam mit Jason, der wie jeden Tag Anzug und Krawatte trug. Mein Vater gesellte sich zu uns und eine Weile unterhielten wir uns über seinen neuen Roman und über Bücher im Allgemeinen. Die ganze Zeit wartete ich vergeblich darauf, dass Henry ebenfalls kommen würde. Irgendwann berichtete Jason stolz, dass er für den Abend eine kleine Überraschung vorbereitet hatte. Immerhin war Silvester, erklärte er in einem Tonfall, als seien wir alle zu verpeilt, um uns daran zu erinnern. Nun ja, zumindest mein Vater schien reichlich überrascht von seiner Ankündigung. Ich erklärte, dass ich mit David auf eine Strandparty gehen und nicht anwesend sein würde. Zu meiner Erleichterung schluckten sie das, ohne sich weiter darüber auszulassen oder Fragen zu stellen. Ich war froh, dass Jason offenbar nicht groß über David reden wollte, denn irgendwie hatte ich das dringende Bedürfnis nach etwas Abstand. Als wir alle drei fertig waren mit dem Essen, fing mich mein Vater draußen vor dem Speisezimmer noch einmal ab.
    »Ist alles okay, Juli?«, fragte er und musterte mich eindringlich. Irgendwie schien er zu spüren, dass genau das nicht der Fall war, aber ich war zu geübt darin, ihn zu beruhigen.
    »Klar«, behauptete ich leichthin. »Die Party heute Abend wird bestimmt genauso cool wie die in Boston.«
    Er überlegte. Dann nickte er zögernd. Ganz hatte ich ihn wohl doch nicht überzeugt.
    »Ich muss los!«, rief ich darum so ungeduldig wie möglich. »Bis später, Dad!« Damit ließ ich ihn einfach stehen und ging in mein Appartement, um meine Jacke zu holen.
    Da weder von Henry noch von David ein Fitzelchen zu sehen war, beschloss ich, einen kleinen Ausflug auf die Gay-Head-Klippen zu machen. Vielleicht, so meine absurde Hoffnung, würde ich dort auf eine Idee kommen, was vor sechs Wochen an dieser Stelle passiert war.
    Da es noch früh am Morgen war, wirkte die Landschaft wie verschlafen. Ein paar Vögel, die der winterlichen Kälte trotzten, hüpften in den Zweigen der Wacholdersträucher herum und zwitscherten ziemlich wenig enthusiastisch vor sich hin. Mehrere Kaninchen hoppelten über den Pfad oder durch die Ginsterbüsche und schienen nur wenig Angst vor mir zu haben. Eines machte sogar neugierig Männchen, als ich vorbeikam.
    Der Himmel war heute noch

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