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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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aber ich war zu geschafft. Meine Waden schmerzten von dem ungewohnten Lauf im Sand. Die körperliche Anstrengung hatte mich ausreichend erschöpft, sodass ich das Gefühl hatte, auch ohne meinen Schlummertrunk auskommen zu können. Trotzdem war es schade um das Zeug. Ich seufzte. Und leerte das Glas in einem langen Zug.
    Als ich mich schließlich schlafen legte, kamen die Träume übergangslos. Ich ging am Strand entlang, barfuß. Zwischen meinen Zehen knirschte der Sand und immer wieder musste ich scharfkantigen Muscheln ausweichen, die denen auf Henrys unheimlichem Bild zum Verwechseln ähnlich sahen. Rechts von mir befanden sich die Klippen von Gay Head. Ich ließ meine Blicke über die Kanten wandern, über die der Wind Nebelfetzen trieb.
    In der Ferne entdeckte ich einen Körper, der in der Brandung lag, und langsam schlenderte ich darauf zu. Ich hatte es nicht eilig, und obwohl ich ahnte, wer es war, verspürte ich kein Grauen. Ich näherte mich dem Körper. Es war David. Sein schwarzer Rollkragenpullover war an der Hüfte ein wenig hochgerutscht, sodass ich einen Teil seines Tattoos sehen konnte. Seine schwarze Jeans hatte sich mit Wasser vollgesogen, seine mit Tang durchzogenen Haare trieben in der sanften Brandung.
    Seine Augen standen offen. Blicklos starrte er in den Himmel. Tropfen rannen über seine Wangen und sahen aus wie Tränen.
    Ich stand vor ihm, sah auf ihn hinab und in dem Augenblick, in dem ich mich wunderte, dass ich überhaupt nichts empfand, überfiel mich der Schmerz mit solcher Wucht, dass ich neben ihm in die Knie ging. Ich nahm seine kalte Hand. Ich wollte weinen, aber es ging nicht. Meine Augen blieben trocken und sie brannten so sehr, dass ich davon fast verrückt wurde.
    »David!«, flüsterte ich wieder und wieder. »David!«
    Er rührte sich nicht, stattdessen wisperte eine Stimme: »Juli!«
    Ich schaute auf und zuckte zusammen.
    Auf den Klippen stand eine Frau in einem blutroten Kleid – ich wusste nicht, ob es Madeleine oder Charlie war, denn der Nebel hüllte sie fast vollständig ein.
    »Lass ihn gehen!«, flüsterte die Frau …
    Und mit einem Schrei wachte ich auf. Mein Kopfkissen war patschnass. Ich setzte mich hin, wischte mir über das Gesicht. Mein Herz klopfte. Das Zimmer um mich herum schwankte heftig, als befände ich mich auf hoher See. Ich holte Luft, aber ein eiserner Ring lag um meine Brust.
    Mühsam quälte ich mich aus dem Bett und auf die Füße. Meine Knie waren wie aus Gummi und ich musste mich an der Wand festhalten, um stehen zu können. Warum war der Raum voller Nebel? Ich fühlte mich wie in Watte eingehüllt.
    »Scheiße!«, murmelte ich. Meine Zunge lag in meinem Mund wie ein totes, pelziges Tier. Was war nur los mit mir?
    Ich sog so viel Luft in meine Lungen, wie ich nur konnte. Viel war es nicht. Ich musste zum Fenster, es öffnen. Taumelig, wie ich war, schwankte ich quer durch den nebeligen Raum, verlor fast den Halt und fi ng mich gerade noch, indem ich mich mit beiden Händen am Griff der Balkontür festklammerte. Ich brauchte mehrere Anläufe, bis es mir gelang, die Tür zu öffnen. Eiskalte Luft strömte herein, biss mir schmerzhaft in die Haut von Gesicht und Körper. Ich atmete tief durch. Ein wenig ließ der Schwindel nach. Mit ihm verschwand auch der Nebel und ich begriff, dass es an meinen Augen gelegen haben musste.
    Die Einzelheiten meines Traumes kamen mir in den Sinn und bei der Erinnerung an Davids leeren Blick drehte sich mir noch im Nachhinein der Magen um.
    Reiß dich zusammen!, ermahnte ich mich. Dein Unterbewusstsein hat aus all den schrägen Dingen, die du in der letzten Zeit erlebt hast, einen Albtraum gebastelt.
    Probehalber versuchte ich, die Klinke der Balkontür loszulassen, aber mir war immer noch schwindelig, also packte ich rasch wieder zu. In meinen Ohren rauschte das Blut so laut, dass ich kaum etwas anderes hören konnte. War da Musik? Davids Klavier? Aber das war doch kaputt.
    Ich blinzelte, weil der Nebel zurückkehrte. Fest kniff ich die Lider zusammen, und als ich sie wieder voneinander löste, klebten meine Wimpern zusammen. Ruckartig riss ich die Augen auf. Kein Nebel.
    Und keine Musik. Nur das schwache Rauschen des Windes in den Bäumen und das durch den Nebel gedämpfte Donnern der Brandung.
    Ich wollte die Balkontür wieder schließen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Meine Füße waren eiskalt, meine Zähne begannen zu klappern und trotzdem blieb ich, wo ich war.
    Bis ich das Wispern hörte.
    »… it will

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