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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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weltberühmte Flying Horses Carousel .
    Dafür, dass das Karussell weltberühmt sein sollte, befand es sich in einem ziemlich schäbig aussehenden Bretterverschlag, fand ich. Nach dem, was Henry mir über das Ding erzählte, handelte es sich tatsächlich um das älteste historische Karussell der Staaten und bei Licht betrachtet war es sogar ganz hübsch. Kleine, naturgetreu angemalte Pferde und eine Kutsche drehten sich zur Musik. Es erinnerte mich irgendwie an das Karussell aus dem Film Mary Poppins . Nur dass diese Pferde hier sich nicht durch Zauberkraft in die Luft erheben und mich in eine bessere Welt forttragen würden. Henry nötigte mich, eine Runde mitzufahren. Ich ritt also einige Runden im Kreis, und als meine Fahrt zu Ende war, hielt mein Pferdchen genau vor den beiden.
    »Und?«, fragte Henry. Seine Augen glitzerten regelrecht vor Begeisterung und ich brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass ich mich zum Karussellfahren eigentlich zu alt fühlte.
    »Schön!«, log ich. Ich machte Anstalten abzusteigen, aber blöderweise verhedderte ich mich in dem Steigbügel auf der Innenseite und stolperte ziemlich ungeschickt den beiden Jungs entgegen. Reflexartig fasste David zu und fing mich auf. Für ein paar kurze, kostbare Sekunden lag ich in seinen Armen, denn ich brauchte einen Augenblick, bis ich mich berappelt und mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte.
    »Danke!«, murmelte ich. Meine Wangen glühten. Unsere Gesichter waren sich so nah gewesen, dass ich Davids Atem auf meiner Haut gespürt hatte. Verwirrt von dem Chaos, das plötzlich in mir tobte, strich ich mir die Haare aus den Augen. Dabei rutschte mein Pulloverärmel nach oben.
    Und enthüllte den Armreif, den Henry mir geschenkt hatte.
    David fluchte. Er packte mein Handgelenk mit solcher Kraft, dass ich erschrocken und schmerzlich aufschrie. »Woher hast du das?« Seine Stimme war ein heiseres Flüstern.
    »Aua!«, beschwerte ich mich und wollte ihm meinen Arm entwinden. Aber er fasste nur noch fester zu, zerrte mich dichter zu sich heran und starrte auf das Armband, als habe er plötzlich eine Erscheinung.
    »Woher hast du das?« Übergangslos schrie er.
    Die anderen Besucher schauten erschrocken und peinlich berührt in unsere Richtung, aber ich nahm sie nur am Rande wahr. Alles, was ich sah, war Davids blasses Gesicht, seine weit aufgerissenen Augen, die fassungslos geweiteten Nasenflügel.
    »Lass mich los, du Idiot!«, schrie ich zurück. Wieder versuchte ich, ihm zu entkommen, aber seine Hand war wie ein Schraubstock. Grob packte er den Armreif und zerrte ihn mir vom Gelenk. Der schwere Silberreif schrammte über meine Haut und hinterließ einen langen roten Striemen. David sah es wohl, aber noch immer gab er mein Handgelenk nicht frei.
    »Ich sagte: Lass los!«, zischte ich. Und dann, ich wusste selbst nicht, wieso, holte ich aus und gab ihm eine schallende Ohrfeige.
    Sein Kopf flog herum und für etliche lange Sekunden stand er einfach so da, die Haare in den Augen, ein Abdruck meiner fünf Finger auf seiner blassen Wange. Als er den Kopf endlich wieder zu mir wandte, loderten seine Augen. Ich erwartete schon, dass er mir ebenfalls eine knallen würde, aber stattdessen ließ er endlich mein Handgelenk los.
    Der Armreif polterte auf die Holzdielen und rollte ein Stück zur Seite, wo er liegen blieb.
    Die anderen Besucher hinter mir tuschelten. In meinen Ohren rauschte das Blut. Henry stand etwas abseits und hatte einen staunenden Ausdruck auf dem Gesicht.
    Davids Miene zersplitterte. Auf einmal wurde sein Gesicht grau. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Gebäude.
    »Scheiße!«, rutschte es mir heraus. Der Boden unter mir verwandelte sich wieder mal in schwankende Schiffsplanken. »Was war das denn?«
    Henry antwortete nicht. Er schien von der Situation völlig überrumpelt, also bückte ich mich, hob den Armreif auf und lief hinter David her.
    Ich fand ihn auf dem Fähranleger, der nur wenige Hundert Meter von dem Karussell entfernt lag. Er stand da und starrte auf das Meer hinaus. Ich war den ganzen Weg gerannt. Mein Atem ging schwer vom Laufen und von dem Schock. David musste mich also gehört haben. Trotzdem drehte er sich nicht um.
    Seitlich hinter ihm blieb ich stehen und ich konnte die roten Striemen auf seiner Wange sehen. Zornig hielt ich ihm den Armreif direkt unter die Nase, zwang ihn so, einen Blick darauf zu werfen. Die Muskeln an seinem Hals und seinen Schultern waren angespannt.
    »Was ist damit?«,

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