Herz-Dame
»In der Nacht, als wir zusammen aus der Bar weggegangen sind, ist nichts zwischen uns passiert.«
»Was?« Ungläubig riss sie die Augen auf. »Aber … ich bin doch neben dir aufgewacht … in deinem Bett … und ich hatte nur meine Unterwäsche an«, stammelte sie verwirrt.
»Eben,« sagte er trocken, »du hattest deine Unterwäsche an. Hast du wirklich gedacht, ich hätte mir die Mühe gemacht, dich anschließend wieder anzuziehen?«
Er hatte den Satz noch nicht richtig ausgesprochen, da war Grace schon aus dem Bett gesprungen.
»Raus.«
»Grace …«
»Du verdammter Mistkerl«, fuhr sie ihn an, während sie sich hektisch in den Bademantel wickelte, »Wie konntest du mich die ganze Zeit in dem Glauben lassen, dass ich mit dir geschlafen habe? Ich habe mir die schlimmsten Vorwürfe gemacht, und du hast die ganze Zeit nichts Besseres zu tun gehabt, als dich auf meine Kosten zu amüsieren. Wahrscheinlich hast du im Stillen gehofft, dass du doch noch irgendwann ans Ziel kommst, und ich blöde Kuh bin auch noch darauf hereingefallen.«
»So war das doch gar nicht«, versuchte er sie zu beruhigen, »Anfangs dachte ich, du wüsstest es, und als mir klar geworden ist, dass du offenbar keine Ahnung hattest, was wirklich geschehen ist, wollte ich nichts sagen, weil ich es mir nicht noch mehr mit dir verderben wollte.«
Voller Zorn klaubte sie seine Sachen vom Boden auf und warf sie ihm aufs Bett.
»Ich will kein Wort mehr hören, weder darüber, noch über die letzten Stunden hier. Wage es ja nicht, mir noch einmal zu nahe zu kommen – und jetzt raus hier.«
Kapitel 10
N achdem Dylan das Zimmer verlassen hatte, ließ Grace sich aufs Bett sinken.
Tränen stiegen ihr in die Augen, Tränen der Wut und Tränen der Scham.
Ihr drehte sich der Magen um, als sie daran dachte, wie sie kurz zuvor noch in seinen Armen gelegen und sich ihm völlig hemmungslos hingegeben hatte.
Sie hätte es wissen müssen, hätte ahnen müssen, wie eiskalt und skrupellos er in Wirklichkeit war. Ganz gezielt hatte er ihr die Wahrheit verschwiegen, in der Hoffnung, dass sie sich auf eine Wiederholung einlassen würde, und er schließlich doch noch das bekommen würde, was er in jener Nacht verpasst hatte.
Unglücklich starrte sie auf das zerwühlte Bett und das auf dem Boden verstreute Frühstück, sie fühlte sich gedemütigt und benutzt. Am liebsten würde sie ihm nie mehr unter die Augen treten, doch ihr war klar, dass sie zumindest noch den Rückflug irgendwie überstehen musste. Ihr graute jetzt schon davor, eine ganze Stunde neben ihm sitzen zu müssen, und sie schwor sich, ihm sein überhebliches Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln, wenn er es auch nur einmal wagen sollte, irgendeine dämliche Bemerkung zu machen.
Niedergeschlagen zog sie sich an, warf ihre Sachen in den kleinen Koffer, und als sie nach einem kurzen Blick aus dem Fenster feststellte, dass sich der Nebel inzwischen ein wenig gelichtet hatte, ging sie hinüber in den Wohnraum.
Dylan stand am Fenster und schaute hinaus, seine Sachen waren ebenfalls eingepackt, es sah so aus, als hätte er auf sie gewartet.
Als er sie hörte, drehte er sich um.
»Grace …«, sagte er leise, doch sie unterbrach ihn sofort mit einer unwirschen Handbewegung.
Wortlos ging sie an ihm vorbei zur Tür, er schaute ihr einen kurzen Moment hinterher, dann folgte er ihr achselzuckend.
An der Rezeption gab er die Codekarte ab, und schweigend legten sie den kurzen Weg zum Flughafen zurück. Dort herrschte immer noch reges Gedränge, zwar war der Betrieb schon vor einer Weile wieder aufgenommen worden, aber durch die ganzen Ausfälle in den letzten Stunden kam es zu erheblichen Verzögerungen.
In einem der zahlreichen Geschäfte kaufte Grace sich eine Zeitung und konnte dann glücklicherweise einen Platz in der Lounge ergattern.
Ohne Dylan auch nur eines Blickes zu würdigen, verschanzte sie sich hinter der Zeitschrift, war allerdings immer noch viel zu aufgewühlt, um sich auf den Inhalt zu konzentrieren.
Scheinbar wurden die Inlandsflüge bevorzugt abgefertigt, denn zu ihrer Erleichterung dauerte es nicht lange, bis ihr Flug aufgerufen wurde.
Immer noch stumm liefen sie zum Gate und saßen kurz darauf in der Maschine.
Wie an den Tagen zuvor wollte Dylan beim Start nach ihrer Hand greifen, doch sie zuckte sofort zurück; lieber würde sie vor Angst sterben, als sich noch einmal von ihm anfassen zu lassen.
Nach etwas über einer Stunde, die Grace wie eine Ewigkeit erschien, landeten sie in Newport, und
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