Herz-Dame
fünfundvierzig Minuten, um zu der alten Siedlung zu gelangen. Wenn sie auf ihn warten würde, würden sie es auf keinen Fall rechtzeitig schaffen, und vielleicht würde Bob dann wieder weg sein.
Sekundenlang überlegte sie, ob sie Dylan anrufen sollte, doch entschieden verwarf sie diesen Gedanken wieder.
»Warum soll ich ihm jetzt auch noch hinterhertelefonieren?«, dachte sie trotzig. Kurzentschlossen nahm Grace den Brief und das Kuvert an sich und verließ Dylans Büro. Sie stopfte beides unter einen Stapel Papiere auf ihrem Schreibtisch und lächelte zufrieden.
»Das kriege ich auch alleine auf die Reihe.«
Kapitel 27
E ine Weile tippte Grace noch an dem Entwurf für den Artikel herum, bis ihr einfiel, dass sie ja noch nach den Fotos schauen wollte.
Sie fuhr mit dem Fahrstuhl zwei Etagen nach oben, und als sie das Büro der Fotografen betrat, sah sie Oliver an seinem Schreibtisch sitzen und steuerte zielstrebig auf ihn zu.
»Hi«, grüßte sie ihn, »Dylan hat mich gebeten, das Fotomaterial durchzusehen, welches du in den Einrichtungen geschossen hast, er braucht ein Bild für einen Artikel morgen früh.«
»Klar, kein Problem«, nickte Oliver und öffnete eine Anwendung, mit der man sich die Bilder betrachten konnte.
Zusammen schauten sie alles durch, und nach kurzem Überlegen entschied Grace sich für drei Fotos, die ihr geeignet erschienen.
»Kannst du mir diese drei bitte per Mail zuschicken?«
»Sicher«, versprach er, und klickte sein Mailprogramm an. »Was habt ihr denn Interessantes für die morgige Ausgabe?«, wollte er wissen, während er ihre Mailadresse eingab und die Dateien anfügte.
Grace zuckte mit den Achseln. »Bis jetzt noch nicht viel. Dylan ist noch unterwegs, keine Ahnung, was er mitbringt.« Dann schmunzelte sie. »Aber wenn ich Glück habe, bekomme ich heute noch ein paar verwertbare Informationen, ich treffe mich heute Abend mit Bob.«
»Bob? War das nicht der Alte, der letztens abgehauen ist, als wir zur Armenküche kamen?«
»Ja, es sieht so aus, als hätte er etwas Wichtiges für uns – ich bin schon sehr gespannt«, erklärte sie.
»Na dann wünsche ich dir viel Erfolg«, lächelte Oliver, »ich drücke die Daumen.«
»Danke, und vielen Dank für die Bilder.«
Sie verabschiedeten sich und kurz darauf saß Grace wieder an ihrem Schreibtisch und brütete weiter über dem Entwurf für Dylan. Immer wieder schaute sie auf die Uhr, und je näher der kleine Zeiger zur Fünf hin rückte, desto unruhiger wurde sie.
Wenige Minuten vor siebzehn Uhr hielt sie es nicht mehr aus, sie schaltete ihren PC aus, griff nach ihrer Tasche und verließ das Gebäude. Kurz darauf saß sie in ihrem Auto und durchquerte die Stadt, während sie nervös mit den Fingern auf dem Lenkrad herumtrommelte.
Bei der Vorstellung, sich ganz alleine in der verlassenen Gegend am Stadtrand aufzuhalten, beschlich sie ein mulmiges Gefühl, doch jetzt war es zu spät, um noch umzukehren. Immer weiter näherte Grace sich ihrem Ziel, und sie war so in Gedanken versunken, dass ihr das Fahrzeug, welches ihr in sicherem Abstand folgte, gar nicht auffiel.
Es war kurz vor achtzehn Uhr, als Dylan den Verlag betrat.
Oben im Großraumbüro angekommen, warf er einen kurzen Blick zu Graces Schreibtisch, und stellte verwundert fest, dass der PC aus und von ihr weit und breit nichts zu sehen war.
In der Annahme, sie würde vielleicht in seinem Büro auf ihn warten, betrat er den Glaskasten, um in derselben Sekunde festzustellen, wie schwachsinnig dieser Gedanke gewesen war.
Wieso sollte sie auch hier sein, nach der Szene vom Samstag und ihrem Verhalten heute Morgen hätte ihm klar sein müssen, dass sie keinen Wert darauf legen würde, mit ihm allein in seinem Büro zu sitzen.
Die Tatsache, dass sie offenbar gegangen war, obwohl er ihr gesagt hatte, dass er mit ihr noch den Artikel fertigstellen wollte, verstärkte sein ungutes Gefühl noch, und als er jetzt ihr Schreiben auf seinem Tisch liegen sah, wurde ihm bewusst, dass sie wirklich die Absicht hatte, sich aus seinem Leben zu verabschieden.
Bedrückt starrte er auf die Kündigung, doch er kam nicht dazu, lange darüber nachzudenken, denn die Tür ging auf und Justin kam herein.
»Hey, was machst du denn für ein Gesicht?«, fragte er statt einer Begrüßung, »Ich hatte eigentlich die Absicht, dich auf ein Bier einzuladen, aber wenn ich dich so ansehe, ist das wohl keine gute Idee.«
»Nein, ist es auch nicht. Außerdem habe ich noch zu tun, ich muss mir bis morgen früh
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