Herz dder Pflicht
köstlich.“
Es war eine verführerische Vorstellung, ein paar Stunden mit Mr. Ritchie draußen zu verbringen, und Pandora erlag der Versuchung.
Richard war begeistert. Ein Nachmittag mit Pandora und ein Besuch in Baxter’s Bay bedeutete Arbeit und Vergnügen zugleich. Mehr konnte er sich nicht wünschen.
Aber das stimmte nicht. Er stellte sich Pandora in seinen Armen vor und war sicher, dass sich ihre Lebhaftigkeit dort erst richtig zeigen würde. Anscheinend war er in Gefahr, seine Mission zu vergessen, und das durfte nicht sein. Außerdem war sie eine Dame, und weil er ein Gentleman war, auch wenn das in Compton Place niemand vermutete, sollte er nicht in dieser Weise an sie denken. Sie war kein leichtes Mädchen, das er zu seinem Vergnügen verführen konnte, sondern eine unschuldige junge Frau, die ein starkes Pflichtgefühl besaß. Er musste sich anständig benehmen.
Und er benahm sich anständig. Höchstens war er noch ruhiger als gewöhnlich, so dass Jack ihn, als sie oben auf dem Steilufer absaßen, besorgt fragte: „Fühlen Sie sich nicht wohl, Mr. Ritchie?“
Richard schüttelte lächelnd den Kopf. „Mit mir ist alles in Ordnung, Jack.“
Nachdem sie die Pferde an Bäumen festgebunden hatten, folgten sie dem Pfad, der an den Klippen hinunterführte. Entlang ihres Weges gab es Höhlen, in denen man aufrecht stehen konnte.
Sie hatten Kerzen und eine Zunderbüchse mitgenommen, um in der Dunkelheit nach Fossilien suchen zu können. Richard besaß eine kleine Spitzhacke, mit der man die Versteinerungen aus den Felsen heraushauen konnte. An Kirchen-wänden benutzte er sie nie. Sie waren heilig und mussten so bleiben, wie sie waren.
Nach Beendigung der Suche widmeten sich alle, der Stallknecht Rob inbegriffen, dem Picknick, das sie auf einer Decke im Sand ausgebreitet hatten. Daher bemerkten sie nicht, dass sie beobachtet wurden.
Aha, dachte Jem Sadler. Master Hauslehrer ist wieder mit Miss Pandora unterwegs. Der Zolloffizier war an diesem Tag aufge brochen, um Baxter’s Bay zu inspizieren. Sein Gebiet, das es zu bewachen galt, war so ausgedehnt, dass es ihm schwerfiel zu entscheiden, wo die Gentlemen ihre Konterbande als Nächstes an Land bringen würden. Im Stillen wunderte er sich, was an dieser Bucht eine solche Anziehungskraft auf Mr. Ritchie ausübte, abgesehen von Miss Compton.
Vorsichtig ging er den Felsenweg hinunter, um die Picknickgesellschaft nicht vor seiner Ankunft zu warnen, und blieb dann einige Augenblicke halb versteckt stehen. Der Hauslehrer hatte sein Mahl beendet, saß auf einem Felsbrocken ein Stück von den anderen entfernt und zeichnete. Mit einem Husten trat Sadler hervor. „Ein Lieblingsplatz von Ihnen, Miss Compton? Aus einem besonderen Grund?“, fragte er.
„Nein, Mr. Sadler, es ist Mr. Ritchies Lieblingsplatz, da sich in einer der Höhlen Versteinerungen befinden“, erklärte Jack, bevor Pandora etwas äußern konnte. „Außerdem malt er sehr gern das Meer und den Strand.“
„Wenn das alles ist, was er gern tut“, erwiderte Sadler, ging zu Richard hinüber und blickte ihm über die Schulter. Er war überrascht, dass die Zeichnungen gut waren. Anscheinend hatte der junge Compton recht, und die Ausflüge des Hauslehrers hierher waren tatsächlich harmloser Natur. Die Figuren auf dem Papier – Pandora, Jack und der Stallknecht – lebten, genau wie die schnelle Karikatur von ihm selbst, die entstanden war, während er sich versteckt hatte. Offensichtlich besaß Mr. Ritchie scharfe Augen.
Richard schaute hoch und lächelte. „Möchten Sie Ihr Bild haben?“, erkundigte er sich heiter. „Was dachten Sie, würden wir hier tun? Auf die Gentlemen warten und ihnen helfen, ihre Boote zu landen?“
„Mich würde nichts überraschen“, entgegnete Sadler und nahm die angebotene Zeichnung. „Mein Porträt gefällt mir. Sie sind ein echter Künstler, Sir.“
„Nur ein Amateur“, wehrte Richard ab.
„Darf ich?“ Der Zolloffizier deutete auf die Mappe neben Richard.
„Selbstverständlich.“
Die Mappe enthielt die Aquarelle, die Pandora bewundert hatte, dazu noch einige neue. Sadler betrachtete die Bilder. Sie erinnerten ihn an etwas, allerdings kam er im Augenblick nicht darauf, was es war. Erst später, auf dem Ritt nach Hause sollte ihm einfallen, wo er ähnlich genaue Arbeiten schon einmal gesehen hatte. Es war auf einem Lehrgang gewesen, bei dem es um Zusammenarbeit im Kampf gegen den Schmuggel ging. Ein Captain der Dragoner hatte ihm Zeichnungen gezeigt,
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