Herz dder Pflicht
Sir Johns Erbe und der Herr dieses Hauses bist, gibt dir das nicht das Recht, so unhöflich mit Mr. Ritchie zu reden. Er ist ein anständiger und ruhiger Gentleman, der sich sehr darum bemüht, Jack Manieren beizubringen.“
„So anständig und ruhig wie eine Klapperschlange, Tante“, höhnte William. „Hast du den missbilligenden Blick nicht bemerkt, mit dem er mich ständig betrachtet? Und was schlimmer ist, er macht Pandora schöne Augen.“
„Mir ist nichts dergleichen aufgefallen“, erwiderte die Tante. „Alles was ich gesehen habe, ist, mit welcher Sorgfalt er seine Pflichten erfüllt. Außerdem hat mir Rice berichtet, dass Mr. Ritchie ihm in seiner Freizeit bei der Buchführung hilft.“
Pandora schaute ihre Tante erstaunt an. Ihr gegenüber hatten weder Rice noch Mr. Ritchie etwas davon erwähnt.
William war durch diese Enthüllungen keineswegs besänftigt. „Darüber beklage ich mich ja“, erwiderte er zornig. „Er ist ein verdammter Emporkömmling, der sich in jedermanns Vertrauen einschleicht, ausgenommen das meine. Ich hätte gute Lust, Sir John zu bitten, ihn sofort zu entlassen.“
„Nein“, wandte Pandora ein, die sich wehrlos fühlte wie immer, wenn sie mit ihrem Halbbruder zusammen war. „Denk an Jack, bevor du so etwas veranlasst.“
„Du meinst, ich soll an dich denken. Da ich weiß, wie sehr du ihn begünstigst, werde ich Großvater nach dem Dinner aufsuchen. Zumindest er wird sich anhören, was ich zu sagen habe.“
„Ich bitte dich …“, begann Pandora.
„Was ich seit meiner Ankunft hier gesehen habe, bestärkt mich in meinem Entschluss, so schnell wie möglich einen Verwalter für das Gut anzuheuern. Und dann, mein Mädchen, wirst du lernen, dich wie eine Dame zu benehmen. Du und Tante Em könnt euch ins Witwenhaus zurückziehen, sobald ich jemanden für den Posten gefunden habe. Der alte Rice wird in Pension geschickt. Und jetzt lasst uns zum Dinner gehen.“
Nach Beendigung der Mahlzeit verließ William, den Kopf ärgerlich erhoben, den Raum. Pandora blickte ihre Tante hilflos an.
„Das meint er ernst“, sagte sie. „Was für einen Mann mag er anheuern? Zweifellos einen Nichtsnutz wie er selbst, weil wir uns einen besseren gar nicht leisten können. Falls er jedoch das Geld für jemand Tüchtigen hat, woher stammt es? Ich glaube keinen Augenblick, dass er es beim Glücksspiel gewonnen hat. Er war von jeher ein hoffnungsloser Kartenspieler.“
„Liebes, vielleicht wendet sich alles doch noch zum Besten. Es war falsch, dir die Verwaltung des Gutes aufzubürden, obwohl du es geschafft hast, uns vor dem Bankrott zu bewahren. Aber du brauchst einen Ehemann …“
„Oh nein, Tante, ganz bestimmt nicht. Allein der Gedanke, dass er so wie William sein könnte, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.“
Sie verließ das Speisezimmer, während ihre Tante verzweifelt am Schauplatz des verunglückten Dinners sitzen blieb.
Sir John hatte sich schon für die Nacht zurückgezogen, als sein Enkelsohn hereinstürmte, und dem Lakaien und dem Kammerdiener, die dem alten Mann geholfen hatten, befahl, zu verschwinden, bis sie wieder gerufen würden.
„Was ist los?“, fragte der alte Mann mit zitternder Stimme, während William sich in den Sessel neben dem großen Bett warf.
„Sir John, ich wünsche, dass Sie diesem neuen Hauslehrer Mr. Ritchie mitteilen, dass er morgen früh seine Sachen packen und gehen soll. Er übt in diesem Haus einen schlechten Einfluss aus.“
Sir John starrte ihn an und erwiderte beinahe so fest wie vor seiner Krankhei: „Oh nein, das kann ich nicht.“
„Warum nicht? Der Bursche ist eine Plage!“, fuhr William auf.
Sein Großvater schüttelte den Kopf. „Nein, nein, es gibt einen wichtigen Grund dafür, ihn zu behalten. Ich kann mich nur nicht daran erinnern.“ Seine Miene erhellte sich ein wenig. „Er ist verdammt gut für Jack, das weiß ich.“
William knirschte mit den Zähnen. „Sind denn alle hier verrückt, diesen Hochstapler zu verteidigen? Einen Musterknaben, wie ihr alle zu glauben scheint.“
„Das ist er.“ Sir John dachte einen Augenblick nach, bevor er mit zweifelnder Miene fortfuhr: „Aber das allein ist es nicht. Ich wünschte, mein Gedächtnis wäre nicht so schlecht. Jedenfalls werde ich ihn nicht entlassen.“
„Offenbar wollt ihr alle ausgerechnet den Burschen behalten, der hinter Pandora her ist. Hörst du mir eigentlich zu, Großvater?“
„Pandora ist ein gutes Mädchen. Sie hat von niemand etwas zu
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