Herz des Himmels (German Edition)
Kaithlyn schob die Blauklinge hinein. „Denken Sie an meine Worte, ein Stich ist unwiderruflich tödlich.“
„Danke“, brachte sie gezwungen hervor. Kaithlyn konnte das alles gar nicht glauben, es war so unwirklich. Ihr Lehrer, der strenge und idealistische Mann, der mit seiner Weisheit prahlte, wo er nur konnte, wirkte völlig verändert. Vielleicht sollte sie es einfach hinnehmen?
„Glauben Sie daran, dass ich sterbe?“, fragte sie unbeholfen.
Er schüttelte ernst den Kopf. „Ich habe Sie nur beobachtet. Sie kämpfen so verbissen, weil Sie etwas haben, was Sie beschützen möchten. Mir scheint es so als würde ein Kampf vor Ihnen liegen und Sie werden es ihrem Gegner nicht leicht machen, vor allem nicht mit solch einer Waffe.“
Seine Worte trugen so viel Anerkennung und Wertschätzung in sich, dass Kaithlyn sich wünschte, jedes davon wäre wahr, denn wirklich dran glauben, konnte sie nicht. Sie verneigte sich rasch ein zweites Mal.
„Vielen Dank, Meister Razzu!“
Er nickte energisch. „Denken Sie nur an meine Worte.“
Er ging so schnell, wie er gekommen war. Die Sonne, die durchs Fenster fiel kitzelte Kaithlyn an der Nase und brachte ein Kribbeln mit sich. Sie nieste laut und setzte sich an den Tisch. Die Juwelenuhr schlug gerade fünf Uhr. Es wurde still und die Stille schlug in Kälte um, die das Kribbeln der Sonne vertrieb.
„Liegt etwas Schreckliches in der Luft?“, fragte Kaithlyn laut und beobachtete den Sekundenzeiger, wie er immer schneller zu werden schien, obwohl er sich doch im Rhythmus bewegte. Harlow war die Einzige, die sie hören konnte.
„Ich meine, diese Freundlichkeit ist trügerisch“, setzte sie nach.
„Wie wäre es ausnahmsweise mal mit freuen?“, sagte Harlow gelassen. Kaithlyns Lippen formten das Wort merkwürdig und ein leises Wispern rauschte durch ihre Gedanken. Es trieb ihr eine grauenhaft lebendige Vorstellung der Dierraider vor Augen. Wusste er etwas? War das ein Ratschlag, wie sie mit Green fertig wurde? Ihm rücklings ein Messer in den Rücken zu rammen? Konnte die Lösung so einfach sein? Nein , sagte die dumpfe Stimme in ihrem Kopf, das kann es nicht sein . Nicht alles ist zwingend in meine Probleme involviert. Getrieben von dieser unzumutbaren Vorstellung suchte Kaithlyn Rose in ihrem Zimmer auf. Diese warf sich gerade mit ihrem ganzen Gewicht auf ihren Koffer, damit er zu ging und als die Schnallen ins Schloss schnappten, atmete sie erleichtert aus.
„So kriegt man auch alles in einen Koffer“, bemerkte Kaithlyn feixend. Dann erzählte sie ihr von Meister Razzus merkwürdigen Besuch.
„Aber das hört sich doch gut an!“, sagte Rose. „Ich meine, wer hätte gedacht, dass solche Worte aus seinem Mund kommen können?“
„Ja, wer hätte das gedacht“, sagte Kaithlyn enttäuscht.
„Komm schon, Kaithlyn. Vielleicht hat er davon gehört, wie Green ins Labyrinth eingedrungen ist und dich töten wollte, dass weiß doch mittlerweile jeder.“
„Kann sein.“
„Es tut mir leid, wenn ich dich hier so stehen lasse, aber ich muss noch was Dringendes erledigen“, fügte Rose unruhig hinzu.
„Okay“, meinte Kaithlyn. Sie fragte sich, was Rose vorhatte, aber wenn sie es gewollt hätte, hätte Rose es ihr erzählt und schließlich gab es auch Dinge, die Kaithlyn Rose nicht erzählte.
„Kannst du mir vielleicht einen Gefallen tun?“, fragte Rose.
„Diese Bücher hier müssen noch zurück in die Bibliothek, ich hab dafür keine Zeit mehr und…also würdest du bitte…?“
„Kein Problem, dann habe ich ein bisschen Ablenkung“, sagte Kaithlyn hilfsbereit.
„Die alle?“ Sie deutete auf einen kleinen Stapel Bücher.
Rose nickte. „Danke.“
Kaithlyn hievte sich gleich vier dicke Wälzer auf einmal in die Arme, doch sie waren erstaunlich leicht für ihr Aussehen. Harlow lud sich zwei Bücher auf den Rücken und die beiden balancierten durch die langen Flure zur Bibliothek, was ihnen außergewöhnlich gut gelang.
„Ich hab ganz vergessen zu fragen, wo sie die her hat!“, stöhnte Kaithlyn auf.
„Das macht nichts. Ich suche einfach Roses Geruch an den Regalen, dann müssten wir die richtigen Stellen finden, obwohl das hier keinen Unterschied macht, bei dem Chaos.“
„Vielleicht liegt in der Unordnung die Ordnung. Großvater jedenfalls hat bisher jedes Buch gefunden, das er suchte. Aber ist Rose´ Geruch nicht überall? Sie war so oft hier.“
„Ich kann neuere von älteren Gerüchen unterscheiden“, sagte Harlow beiläufig.
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