Herz des Himmels (German Edition)
waren da nun noch offensichtliche andere Fähigkeiten, die von ihr die ganze Zeit unbemerkt geblieben waren und nun zu Tage kamen. Kaithlyns Kopf begann zu schmerzen. Sie versuchte die Verbindung wieder aufzubauen, doch nichts geschah, vielleicht war es auch besser so. Sie fühlte sich nun völlig erschöpft.
Die laue Abendluft flutete den riesigen, vollen Raum und Kaithlyn roch Pergament und Tannennadeln, so als hätte jemand ein Buch aufgeschlagen. Doch sie war alleine.
Melora war lange geblieben. Sie hatte Stunde um Stunde bittere Tränen vergossen. Kaithlyn hatte es das Herz gebrochen. Sie war ununterbrochen davor gewesen aufzustehen und ihr ein paar tröstende Worte zu schenken, aber was hätte sie schon sagen können? Es war fast dasselbe Gefühl wie bei Kaine gewesen, aber bei ihm wusste Kaithlyn, was zu tun war, sie spürte eine bestimmte Beständigkeit, die seine Person ausmachte. Melora war da ganz anders. Vom ersten Moment an energisch und reizbar, wie das wilde Meer. Eine so zerbrechliche Seite an ihr zu sehen, war unerträglich.
Fast wäre sie wieder eingeschlafen. Rechtzeitig schreckte sie hoch und stieß sich den Kopf an einem herausstehenden Buch, was höllisch wehtat. Dieser Schmerz verging jedoch. Sie dachte wieder an Garu. War er in Gefahr? Er wollte doch nach Hause oder nicht? War ihm etwas zugestoßen? Kaithlyn hasste sich für ihre Gedanken, weil sie viel zu spät kamen. Ihr war es vorher egal gewesen. Sie hatte ihn einfach nur vergessen wollen.
„Warum verwirrt mich das alles so?“, schrie sie laut und presste sich erschrocken die Hand auf den Mund. Harlows kalte Schnauze stieß sachte gegen ihren Ellbogen. „Harlow“, sagte Kaithlyn entschuldigend. Das Kianki hatte starr mit ihr ausgeharrt und keinen Ton von sich gegeben. Sie spürte Kaithlyns Gefühlschaos. Das Band zwischen ihnen wurde stärker, wer hingegen schwächer wurde war Fye. Er hatte ihre Anwesenheit im Garten von der ersten Sekunde an bemerkt, sie dort geduldet. Und heute? Er hatte Kaithlyn einfach nicht bemerkt, dass hätte sie an seiner Stimme gehört oder in seinen Augen gesehen. Wieso war es Fye auf einmal nicht mehr möglich ihre Aura wahrzunehmen? Wurde er schwächer durch den Fluch? Noch mehr Fragen.
Probleme über Probleme und alle hatten sie mir verfluchten Gefühlen zu tun.
Die Nacht lastete schwer auf ihr, an Schlaf war später nicht zu denken. Ihre Gedanken umkreisten zu viele Themen. Sie lauschte dem Ticken der Uhr.
Sekunden. Minuten. Stunden.
Dann stand sie auf, ging ins Bad und trank einen Schluck Wasser, eiskalt lief es ihr die Kehle herunter. Sie hielt den Atem an, während sie ihr Spiegelbild anstarrte. Sie sah erschöpft und blass aus. Mit dem Finger berührte sie das leuchtende Glas. Es beschlug von ihrem Atem, so nah war sie ihrem eigenem Gesicht. Ihre steingrauen Augen waren voller Sorge und Anspannung.
Plötzlich überkam sie ein Anflug von Schwindel. Kaithlyn begann zu zittern, versuchte sich zu beruhigen und schüttelte sich. Wie ein Kettenreaktion oder eine Affekthandlung schlug sie mit der Hand gegen das weiße Glas und spürte jähen Schmerz auflodern. Kaithlyn fand sich auf den Boden wieder, schweißgebadet. Ihr linker Arm war überströmt von scharlachroten, feuchten Blut. Vom Ellbogen bis in die Fingerspitzen steckten Scherben in ihrem Arm und gruben sich tief ins Fleisch. Das Blut tropfte auf die Kachel des Bodens und strömte anhaltend weiter. Ein dumpfer pochender Schmerz wie Feuer brannte durch ihre Venen. Sie erkannte wie wütend ihre Unruhe sie machte.
„Verflucht!“ stieß sie hervor und holte ein Handtuch aus dem Regal. Vorsichtig zog sie die erste Scherbe knirschend aus einer der Wunden und es blutete noch heftiger. Erneut überkam sie eine Welle von Übelkeit und Schwindel, doch mit Scherben im Arm konnte sie sich nicht heilen. Die erste Wunde schloss sich, die zweite auch. Sie schloss die Augen und würgte. Ihr Arm war völlig taub geworden. Dann hielt Kaithlyn inne und dachte angestrengt nach. Sie wusste nicht, was ihre schlagartige Reaktion ausgelöst hatte, aber sie wusste plötzlich, dass es ihr etwas nützen würde. Ihr Blut war mittlerweile überall, auf ihren Kleidern, dem Boden, der Wand. Stechende Kopfschmerzen bahnten sich den weg durch ihre plötzliche Benommenheit. Mit ihrer gesunden Hand streifte sie das Amulett ab und schob es in die andere. Das Blut benetzte sofort die silberne Oberfläche.
Wie eine durstige Pflanze sogen die metallischen Symbole
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