HERZ HINTER DORNEN
von der dickköpfigen Schönen die Rede war. »Nur hat sie nicht geschrieben, in welchem Kloster sie sich befindet. Es wäre uns lieb, dies von Euch zu erfahren.«
Der matte Blick des Grafen hielt den eindringlichen Augen des Barons stand. Justin d'Amonceux konnte weder eingeschüchtert noch erpresst werden. Er hatte sich inzwischen dazu durchgerungen, Roselynnes Entschluss zu respektieren. Was sie ihrer Familie sagen wollte, musste sie selbst entscheiden. Es war nicht seine Sache, sich ein weiteres Mal einzumischen. Kein Wort mehr über die Dame.
»Ihr wisst, wo sie ist«, brüllte der König wütend. »Ich warne Euch, sagt es oder tragt die Folgen. Es gibt genügend Mittel und Methoden, einem Spion die Auskünfte zu entreißen, die er nicht freiwillig gibt.«
Auch die Drohung von Folter und Gewalt zeigte keine Wirkung auf Justin d'Amonceux. Er hatte vor dieser Schlacht mit seinem Leben abgeschlossen und dass eine gnädige Macht den tödlichen Schwerthieb im letzten Moment in einen schmerzenden Kratzer verwandelt hatte, änderte nichts an seiner Einstellung.
Seine Fehler, Erfahrungen und Kämpfe gipfelten in der schlimmen Selbsterkenntnis, dass er die Ehre seines Namens ebenso verspielt hatte wie den Respekt, der diesem Namen gebührte. Er konnte nur noch eines tun: mit Haltung sterben. Wenn ihm Rufus die Gelegenheit dazu gab, so würde er ihn mit seinem letzten Atemzug für diesen Freundschaftsdienst preisen.
»Tut, was Euch notwendig erscheint«, sagte er so unbeteiligt, dass der König mit einem wütenden Fluch auf seinen Gleichmut reagierte.
»Wollt Ihr Euch über uns lustig machen, Seigneur Verräter?«, bellte er zornig.
»Nichts liegt mir ferner, Sire«, murmelte der Graf in knapper Höflichkeit. »Ich bin in Eurer Gewalt. Und Ihr habt Recht, wenn Ihr mich einen Schurken nennt. Ich habe das Wohlwollen nicht verdient, das Ihr mir in Winchester geschenkt habt, und ich werde Euch nicht beschämen, indem ich Euch um Verzeihung bitte. Ich bin bereit, mich Eurem Urteil zu unterwerfen. Fällt Euren Spruch und vergesst, dass es mich gegeben hat.«
»Ihr wisst, wie Verräter sterben?«, drohte der König mit erhobener Stimme.
»Dann sei es so.«
Die müde Ergebenheit, mit der sich das ungekämmte, blutbesudelte und dennoch edle blonde Haupt unterwarf, verschlug beiden Männern die Sprache. Der König wollte etwas sagen, doch Ryan of Hythe wagte das Undenkbare. Er legte eine Hand auf den Arm seines Souveräns und schüttelte stumm den Kopf.
Rufus bekam eine rote Stirn und murmelte einen Fluch. Dann indes akzeptierte er den stummen Rat eines Mannes, dem er immerhin ein gewisses familiäres Mitspracherecht in dieser Sache einräumen musste.
»Wachen!«, bellte er und die Zeltklappe öffnete sich von neuem. »Legt diesen Mann in Ketten und sondert ihn von den anderen Geiseln ab, bis ich mir überlegt habe, was mit ihm geschehen soll. Ich werde mein Urteil über ihn in Rouen fällen.«
Die Welt hatte sich auf Dunkelheit und Kälte reduziert. Die Mauerquadern des Verlieses, in dem sich der Graf von d'Amonceux wieder fand, waren nicht nur feucht und eiskalt, sie besaßen auch die Stille und den Moderhauch eines vergessenen Grabes. Wie viele Stufen ihn die Wachen in den Abgrund der Erde hinab geschleppt hatten, vermochte er nicht zu sagen. Irgendwann war er in dieses Loch gestoßen und allein gelassen worden.
Im Dunkeln ertastete er hart gestampften, schmierigen Lehmboden, feuchte Mauerquadern, glitschigen Unrat und rostige Ringe in den Wänden, vermutlich dazu gedacht, die Ketten der Gefangenen zu arretieren. Er trug keine Ketten mehr, aber das war auch schon das einzig Positive, das er an seiner Lage entdecken konnte.
Es gab weder trockenes Stroh für ein Lager noch Wasser oder gar etwas zu essen, von einer Decke ganz zu schweigen. Was Durst und Hunger nicht bewirkten, würde die Kälte vollenden.
Der Ritter schleppte sich zu einer Wand und sank an der Mauer zu Boden. Er legte den schmerzenden Kopf auf die angezogenen Knie und rang nach Luft. So viel zum ruhmreichen Ende derer von d'Amonceux. Herzog Robert würde keinen Finger für ihn rühren.
Rufus' überraschender Angriff hatte zwar dazu geführt, dass Robert nie erfuhr, wie es sich mit den Schotten verhielt, aber sein Spion war schon zuvor in Ungnade gefallen, weil er sich im Rat des Herzogs mehrmals deutlich gegen die rücksichtslose Angriffs- und Machtpolitik des Fürsten ausgesprochen hatte.
Die glanzvolle Zukunft, die sich sein Vater und sein Onkel
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