HERZ HINTER DORNEN
für den Grafen d'Amonceux gewünscht hatten, würde damit enden, dass der letzte Träger dieses Titels verachtet und vergessen in einem stinkenden Verlies verrottete. Ein bitteres Lachen stieg in ihm auf. Er hatte sehr wohl bemerkt, dass Ryan of Hythe den König davon abgehalten hatte, ihn auf der Stelle dem Henker zu übergeben.
Allein, er empfand keine Dankbarkeit für dieses Eingreifen. Wenn der Baron von Aylesbury sich dafür rächen wollte, dass er es einst gewagt hatte, die Frau zu begehren, die jetzt die seine war, so hätte er keine schlimmere Strafe für ihn finden können.
Justin d'Amonceux verabscheute Schmutz und Dunkelheit mit einer Heftigkeit, die tief in die Wurzeln seiner unglücklichen Kindheit zurückreichte. Wenn es nötig war, weil Krieg, Umstände oder andere Dinge ihn dazu zwangen, konnte er sich kurzfristig dazu zwingen, sie zu ertragen, aber der Gedanke, in diesem schleimigen Morast zu sterben, widerte ihn dermaßen an, dass er am ganzen Körper unkontrolliert zu zittern begann.
Wie weit Angst, Wundfieber, Hunger oder Durst dieses Zittern hervorriefen, vermochte er nicht zu sagen. Er wusste nur, er würde den Verstand verlieren, wenn er nicht auf der Stelle an etwas anderes dachte! An Helligkeit, Wärme, Sonnenschein und Duft. An Sommer und Blumen, an flirrende grüne Lichtpunkte unter belaubten Bäumen, an Lachen, den Klang einer Laute und eine Melodie, gesungen von einer unverwechselbaren Stimme.
Roselynne. Wie von selbst entstand ihr Bild vor seinen Augen. Eine Druiden-Prinzessin in der Halle von Winchester, die jede andere Frau in den Schatten stellte. Von Silberstoff und glänzenden Haaren umweht, mit dunkelblauen Veilchenaugen, schwellenden Brüsten und herausfordernd gewölbten Lippen. Der Mondstein leuchtete in blasser Unschuld auf ihrer Stirn und der goldene Zauberknoten zog den Blick auf das verführerische Rund ihres Ausschnitts. Unwillkürlich streckten sich seine Arme in die Dunkelheit, um das geliebte Bild zu umfangen.
Wie dumm er doch gewesen war! Wie närrisch, eitel, hochfahrend und von sich selbst überzeugt. Was hatte ihn dazu getrieben, sein Glück so leichtfertig aufs Spiel zu setzen? Weshalb hatte er sie im Morgengrauen entschlüpfen lassen, statt sie in die Arme zu nehmen und für immer an seinem Herzen zu bergen? Vielleicht hätte sich das Schicksal dann anders besonnen ...
Das mürrische Lachen, mit dem er sich selbst für diese dumme Selbsttäuschung rügte, hallte hohl durch das Gewölbe des bedrückenden Kerkers. Er hatte an jenem Morgen nicht geahnt, was er in den vergangenen Wochen - viel zu spät - herausgefunden hatte: Er liebte Roselynne de Cambremer!
Er liebte sie mit der ganzen Kraft eines unwissenden Herzens, das nie richtig lieben gelernt hatte und deswegen erst unter solchen Schwierigkeiten zur Wahrheit durchdrang. Mit einem Herzen, dem es inzwischen völlig egal war, ob sie ihn belog, betrog oder verließ. Es würde immer ihr Bild in sich bewahren und von der Leidenschaft ihrer unverwechselbaren Küsse träumen.
Er hatte das Glück seines Lebens in den Armen gehalten und es nicht begriffen. So viel Einfalt gehörte tatsächlich auf das Schlimmste bestraft.
»Roselynne ...«
Der Name und das Mädchen wurden zum einzigen Licht in seiner Dunkelheit. Zur Fackel, die ihn vor der närrischen Verzweiflung bewahrte und davor, vollends in Wahn zu verfallen. Er sprach mit ihr, bat sie um Verzeihung und klammerte sich an die wenigen kostbaren Erinnerungen der Augenblicke ihrer Liebe.
Es waren Roselynnes Lippen, die er auf den seinen spürte, als das Fieber sie aufbrechen ließ und ausdörrte. Ihre Hände, nach denen er vergeblich tastete, während sich die tödliche Dunkelheit nach und nach über sein Fühlen und Denken legte.
21. Kapitel
»Bei Gott, Ihr müsst Nerven aus Stahl haben, wenn Ihr in dieser unerfreulichen Umgebung so tief schlafen könnt. Ich bitte Euch, kommt zu Euch, d'Amonceux! Ich muss mit Euch reden!«
Ryan of Hythe zuckte zurück, als er nach dem Arm des Gefangenen fasste. Die Hitze des Wundfiebers strahlte durch das gepolsterte, zerfetzte Wams, über dem der Ritter normalerweise seinen Harnisch trug und das ihn jetzt nur unvollkommen vor der feuchten Kälte dieses Höllenlochs schützte. Dass er trotzdem glühte, bewies zwar, dass er noch lebte, aber er konnte unter Garantie keine einzige seiner Fragen beantworten.
»Zum Donner!« Der Baron wandte sich an seinen Begleiter. »Er schläft nicht, er glüht vor Fieber. Wir müssen ihn
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